Das war die Denkwerkstätte Graz 2017

Das war die Denkwerkstätte Graz 2017

Josef Hödl,

Intensiver Austausch über die Auswirkungen modernerer Beschäftigungsverhältnisse auf die psychische Gesundheit und Qualität der Arbeit: Darum ging es bei der Denkwerkstätte Graz 2017 zum Thema „Intensivierung und Verteilung von Arbeit“.

Am 22. und 23. Mai fand im Audimax der FH JOANNEUM die Denkwerkstätte Graz 2017 „Intensivierung und Verteilung von Arbeit“ statt. Der Einladung der Veranstalter – eine Kooperation des Studiengangs „Soziale Arbeit“ der FH JOANNEUM und des Instituts für Soziologie sowie des Zentrums für Sozialforschung der Karl-Franzens-Universität Graz – folgten mehr als 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Österreich. Sie wurden von Rektor Karl Peter Pfeiffer, vom Landessgeschäftsführer des AMS Steiermark Karl-Heinz Snobe und der Landesgeschäftsführerin des AMS Wien Petra Draxl begrüßt. Beiträge lieferten Forscherinnen und Forscher aus Dortmund, München, Wien und Graz.

Die interdisziplinäre und internationale Tagung beschäftigte sich mit der Problematik der unterschiedlichen Aspekte von Intensivierung und Verteilung der Arbeit. Angesichts der aktuellen Arbeitsmarktsituation in Europa lag es nahe, nach den Wechselwirkungen und möglichen Auswegen aus der Intensivierungsproblematik bei den Beschäftigten auf der einen Seite und den Arbeitssuchenden auf der anderen Seite zu fragen. Für die Konzeption und Organisation verantwortlich waren Josef Hödl (FH JOANNEUM), Johanna Muckenhuber und Martin Griesbacher (beide Karl-Franzens-Universität Graz).

Keynotes, Panels und eine experimentelle Podiumsdiskussion

Der erste Keynote-Speaker Günter Voß, Soziologe aus München und Autor des Buches „Der Arbeitskraftunternehmer“ (gemeinsam mit Hans Pongratz), erläuterte in einem informativen und kurzweilig vorgetragenen Beitrag die wichtigsten Phasen des in den letzten Jahrzehnten zu beobachtenden Strukturwandels der Arbeit. Entgrenzung, Subjektivierung, Flexibilisieren und Deregulierung von Arbeit fordern vor allem die betroffenen Erwerbstätigen auf eine neue Art und Weise.

Mit dem Begriff der „Subjektivierung von Arbeit“ wird hervorgehoben, dass die begrenzenden Regulierungen von Arbeit für die Beschäftigten bedeuten, immer eigenverantwortlicher die Organisation und die Inhalte der Arbeit zu entwickeln und zu gestalten. Unter „Entgrenzung von Arbeit“ ist eine zeitliche, örtliche und funktionale Entgrenzung gemeint, in deren Folge der Übergang von Arbeit und Freizeit verschwimmt. Arbeit ist gekennzeichnet durch noch mehr Flexibilisierung und Individualisierung. Daraus ergibt sich eine Beschleunigung sowie ein (selbst) auferlegter Druck, ständig verfügbar zu sein.

Dieser neuen Arbeitsformen und -anforderungen zeigen Folgen für die Qualität und die Professionalität von Arbeit (Voß et al), aber auch für die Art und das Ausmaß psychosozialer Belastungen. Druck, Stress, Erschöpfungszustände und Arbeitsunzufriedenheit sind in den Organisationen und Führungsetagen angekommen.

Die Tagung wurde mit dem Vortrag des zweiten Keynote-Speaker Christian Korunka (Universität Wien) zum Thema Arbeit 4.0: „Arbeitsintensivierung als eine neue Anforderung?“ beendet. Er präsentierte Ergebnisse einer Langzeitstudie über die Intensivierung der Arbeit („Job Demands in a Changing World of Work“, Springer Verlag). Er konnte belegen, dass nicht nur de Zeitdruck zunimmt, sondern auch die Arbeitsdichte, was die Mehrheit der Befragten als belastend empfindet. Identifiziert hat er und sein Team zwei unterschiedliche Bewältigungsstrategien. Einerseits versuchen Beschäftigte aktiv die Anforderungen der Arbeit zu bewältigen – erhöhen ihr Arbeitstempo etc. – andererseits zeigen sie passive Handlungsmuster, durch die die Qualität der Arbeit abnimmt.

In den fünf Panels wurden nachhaltige Arbeitsbedingungen, Belastungen und Herausforderungen, arbeitspolitische Konsequenzen, genderspezifische Effekte und Digitalisierung der Arbeit sowie technologischer Wandel diskutiert.

Fazit

Die Denkwerkstätte in Graz 2017 beschäftigte sich mit wichtigen Inhalten des Strukturwandels der Arbeit und Arbeit 4.0. Eine wirklich gut gelungene Tagung, die sehr stark mit akademischen Inhalten und wissenschaftlichen Studien punktete und versuchte, Spezialistinnen und Spezialisten am Arbeitsmarkt, des Arbeitsmarktservice, der Wirtschafts- und Arbeiterkammer zu erreichen. Diese arbeitspolitische Fragestellung ist auch für die FH JOANNEUM insgesamt von Interesse, da die Denkwerkstätte Graz 2017 als ein Beitrag beziehungsweise eine Ergänzung zur laufenden FH-Diskussion über die Thematiken von Industrie 4.0 / Arbeit 4.0 gesehen werden kann.

Noch eine kurze historische Notiz…

Historisch geht diese Tagungsreihe auf den ehemaligen FH-Professor und Soziologen Hans Georg Zilian zurück. Anlässlich des zehnten Todestages dieses prononcierten Sozialwissenschaftler und Arbeitsmarktforscher im ausgehenden 20. Jahrhundert wurde im Jahr 2015 die Tradition der Denkwerkstätte Graz, die sich bereits von 1995 bis 2005 mit wichtigen Themen zu Arbeit und Arbeitslosigkeit beschäftigt hat, wiederaufgenommen.

Tipp:

Unterlagen, Materialien und Hinweise zur Denkwerkstätte finden Sie hier und hier. Weitere Informationen zu Denkwerkstätten seit 1995 stehen Ihnen hier zur Verfügung. Der Tagungsband Denkwerkstätte Graz 2015: Johanna Muckenhuber, Josef Hödl, Martin Griesbacher unter dem Titel „Normalarbeit. Nur Vergangenheit oder auch Zukunft?“ ist im Transcript Verlag erschienen.