Ernährung von gestern, heute und morgen
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Ernährung von gestern, heute und morgen

Eva-Maria Kienzl,

Wie Lebensmittel in der Vergangenheit produziert wurden, wie „Turbokühe“ den ökologischen Kreislauf beeinflussen und welche Möglichkeiten Insekten als Proteinquelle und neue Technologien in der Zukunft bieten, erklärt Johannes Haas, Studiengangleiter von „Nachhaltiges Lebensmittelmanagement“.

Die Kuh ist das Symbol der österreichischen Landwirtschaft. Sie frisst das Gras auf Bergweiden, verdaut es und düngt mit ihrem Mist wieder die Wiesen. Das Gras wächst wieder. Eine perfekte Kreislaufwirtschaft. Und während die Kuh das macht, gibt sie auch noch 5.000 Liter Milch pro Jahr. Die Besonderheit daran: Die Kühe fressen Gras, das aus Zellulose besteht, die nur schwer verdaulich ist. Menschen fehlt das Enzym, das es dazu braucht.

Aber Kühe haben neben der Verarbeitung eines Materials, das wir nicht essen können, zu für uns verträglichen Lebensmittel wie Milch und Fleisch, noch andere Vorteile: „Sie arbeitet quasi selbstgesteuert, suchen sich mit ihrer High-Tech-Sensorik genau die Gräser und Kräuter, die sie brauchen, haben mit ihren vier Mägen einen komplexen Verdauungsapparat und können die Milch steril lagern. Roboter bräuchten sehr viel Technik, um die heimischen Kühe zu ersetzen – wenn sie das überhaupt könnten. Und Technik braucht Energie und Rohstoffe“, erläutert Johannes Haas.

Lebensmittel heute
Trotz der vermeintlich geringen Fläche und der alpinen Lage könnten die Österreicherinnen und Österreicher auch ohne Roboter und ausschließlich mit heimischen Produkten ernährt werden. Durch das vorherrschende Gras im Alpenraum werden vor allem Fleisch, Fisch und Milch – also tierische Lebensmittel – produziert.

In Tirol leisten Kühe etwa einen wichtigen Beitrag zur Landschaftserhaltung der Bergweiden und Wiesen. Bei einer Fütterung nur mit diesem Gras, geben sie genug Milch für alle Tirolerinnen und Tiroler sowie zehn Kilogramm Fleisch pro Person und Jahr. Das entspricht der Empfehlung von Diätologinnen und Diätologen zu einer ausgewogenen Ernährung. Aktuell liegt der durchschnittliche Fleischkonsum allerdings bei 65 Kilogramm. Nachhaltige, heimische Produktion wäre also möglich, wenn der Fleischkonsum den Empfehlungen angepasst wird.

Das idyllische Verständnis von Bauernhof und Kuhhaltung trügt allerdings: Durch spezielle Züchtungen wurden „Turbokühe“ geschaffen. Sie können bis zu 10.000 Liter Milch pro Jahr geben. Das funktioniert nur, wenn das Gras mit Kraftfutter ergänzt wird. Soja – meist importiert – eignet sich hierfür beispielsweise. Nicht nur, dass sich Österreich durch die Einführung des Futters von anderen Ländern abhängig macht, es werden von den Kühen dabei auch Getreide verarbeitet, die auch der Mensch verzehren könnte. So wird immer mehr Milch produziert und Tiere werden nur zum Zweck der Fleischproduktion gemästet – Nachhaltigkeit sieht anders aus. Deshalb werden am Studiengang „Nachhaltiges Lebensmittelmanagement“ der FH JOANNEUM Alternativen erforscht.

Lebensmittel der Zukunft
Stickstoff ist das zentrale Element im Kreislauf der Lebensmittel. Er ist Basis für Proteine und dadurch essenziell für Lebewesen. Daher befasst sich ein Forschungsschwerpunkt mit der Frage, wie tierisches Eiweiß in Österreich produziert werden kann. Eine Möglichkeit: Insekten. Sie können Stickstoff auch nicht von selbst erzeugen, aber mit Fleischabfällen oder Lebensmittelabfällen gefüttert werden und so Stickstoff aufnehmen. Beim Verzehr durch Menschen oder Tiere geben sie den Stickstoff weiter.

„Wir glauben nicht, dass Insekten unser direkte Nahrungsquelle werden, aber sie können indirekt ökologisch viel bedenklichere Futtermittel wie Soja ersetzen. Insekten als Hühnerfutter? Auch das ist denkbar“, so Johannes Haas. In den kommenden Jahren wird es ein weiteres großes Forschungsprojekt in diesem Bereich geben. Ein weiterer Vorteil dabei: Österreich könnte von internationalen Futtermitteln wie Soja wieder unabhängiger werden. Ein wichtiger Schritt – immerhin gilt Europa bedingt durch den hohen Import als gefährdetste Region für Hungersnot nach Afrika.

Beispiel Fischteich: Fische, Pflanzen und Bakterien sind von selbst im Gleichgewicht – der Stickstoffkreislauf ist im Gang. Wir wollen aber Fisch essen und nehmen damit etwas heraus. Dadurch braucht es Aufwand, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Auch Vertical Farming – also künstliche Kreisläufe in Hochhäusern – und andere Trends in der Lebensmittelproduktion sind meist aufwendig: Sie brauchen beispielsweise Energie und trennen Bereiche für die einzelnen Organismen. Die Selbstverständlichkeit geht dabei verloren.

„Sinn macht Vertical Farming nur, wenn Landwirtschaft im Freien beispielsweise aufgrund von zu hoher oder zu niedriger Temperatur nicht möglich ist. Dann kann man in Gebäuden Kreisläufe nachstellen. Man muss aber auf energieeffiziente Beleuchtung und die eingesetzten Rohstoffe und Energieressourcen achten“, erläutert Johannes Haas. „Wie überlegen uns am Institut daher auch, wie man Menschen wieder dazu bringt, in die Lebensmittelproduktion im Kleinen einzusteigen. Hochbeete am Balkon und Microfarming sind kleine Schritte in diese Richtung.“

Eine weitere Entwicklung ist die Zunahme der Technik in der Landwirtschaft. Neue Technologien wie Drohnen oder selbstfahrende Maschinen müssen dabei kritisch auf ihren Nutzen für die landwirtschaftlichen Betriebe getestet werden. Das passiert an der FH JOANNEUM nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre. Die Studierenden von „Nachhaltiges Lebensmittelmanagement“ lernen mit den Möglichkeiten der Digitalisierung wie Vermarktungsapps, die auch für Kleinbetriebe nützlich sein können, umzugehen.

Im kommenden Semester gibt es erstmals einen „Drohnentag“ am Studiengang. Ausgehend von einer einfachen Frage – beispielsweise wie viel Löwenzahn es auf einem Feld gibt – müssen sich die Studierenden sinnvolle Strategien und Vorgehensweisen überlegen und die neuen Technologien für die Beantwortung aktiv einsetzen.

Auf die Arbeiten am Institut wurde auch der ORF aufmerksam und hat diese Themen in der Sendung Quantensprung im Mai 2018 behandelt.

Tipp:

Weitere aktuelle Forschungsprojekte des Instituts zum Thema: Bauernhof 21, Smart Food Grid Graz und YoungTECHforFOOD. Das Thema Insekten als Nahrungsquelle wurde schon in einem vorangegangenen Projekt behandelt. Bis 28. Mai 2018 kann man sich für einen Studienplatz im Herbst 2018 am Bachelorstudiengang „Nachhaltiges Lebensmittelmanagement“ bewerben.