Ein Teil des Radarsystems befindet sich unterhalb der Schneedecke.
Das Schneehöhenradar des Instituts Electronic Engineering. Foto: © FH JOANNEUM / Robert Okorn

Radar zur besseren Lawinenvorhersage

Niklas Sieger,

Am Institut Electronic Engineering der FH JOANNEUM wird im Rahmen des Projekts CROSSRISK an der genaueren Erfassung von Schneehöhen in exponierten Lagen geforscht. Die erhobenen Daten ermöglichen den Wetterdiensten eine optimierte Lawinenvorhersage.

Der Jahresbeginn 2019 war in mehrfacher Hinsicht ein außergewöhnlicher. Auf den Bergen war es der kälteste Jänner seit 30 Jahren. Aufgrund der hohen Niederschlagsraten fielen auch zahlreiche Schneerekorde. Die Neuschneemengen im Bereich von der Hochkar- und Dachsteinregion über Salzburg und das Tiroler Unterland bis in die westliche Obersteiermark kommen statistisch gesehen nur alle 30 bis 100 Jahre vor, mancherorts sogar noch seltener. Im tirolerischen Reutte auf 850 Meter Seehöhe registrierte die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) mit 116 Zentimeter die höchste maximale Gesamtschneehöhe in einem Jänner seit Messbeginn im Jahr 1937. In Hochfilzen auf 962 Meter Höhe wurde mit einer Neuschneemenge von 451 Zentimetern in 15 Tagen ebenfalls ein Rekord aufgestellt. Hinzu kamen Millionenschäden in der Infrastruktur, Mehrkosten für den Winterdienst sowie Einbußen bei vielen Skigebieten, die aufgrund der prekären Situation ihren Betrieb vorübergehend einstellen mussten.

Doch die Schneemassen forderten nicht nur finanziellen Tribut, sondern wurden auch für Menschen zur Gefahr. Trotz der in nahezu allen Medien veröffentlichten Lawinenwarnungen (an der Alpennordseite wurde teilweise die höchste Warnstufe 5 ausgerufen) gab es mehrere Lawinentote im freien Gelände. In Ramsau am Dachstein drang eine große Lawine sogar bis zu einem Hotel und einem Apartmenthaus vor, 60 Personen wurden schon zuvor in Ersatzquartiere gebracht. Hier drängt sich die Frage auf: Wie kommt es dazu? Und vor allem: Lassen sich solche Lawinenabgänge überhaupt vorhersagen?

Schneehöhenradar zur Beobachtung der Schneedecke

Bereits von 2010 bis 2013 wurde am Institut Electronic Engineering der FH JOANNEUM Kapfenberg im Rahmen des Projekts MUSI unter der Leitung von Robert Okorn an der besseren Überwachung von Schneedecken geforscht. Deren Stabilität muss laufend beobachtet werden, um potenzielle Lawinenabgänge vorhersagen zu können. Hierfür wurden zwei Radarsysteme verwendet, eines davon wurde von Studierenden des Masterstudiengangs am Institut entwickelt. Die unter der Schneedecke platzierten Radarsysteme senden Funkwellen aus, die von den unterschiedlichen Schneeschichten teilweise reflektiert werden. Dadurch kann man die physikalischen Eigenschaften der Schneedecke feststellen, ohne eine Person bei der Messung in Gefahr zu bringen. 2014 wurden die Radarsysteme auf der Planneralm und 2015 auf der Seegrube (Nordkette, Innsbruck) im Rahmen des Folgeprojekts ALARM installiert.

Das Radarsystem misst die Stabilität der Schneedecke.
Das Radarsystem misst die Stabilität der Schneedecke. Foto: © FH JOANNEUM / Robert Okorn

Von 1. Juni 2018 bis 31. Mai 2021 läuft das länderübergreifende Projekt CROSSRISK. Geleitet wird es von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Partner sind die Länder Steiermark und Kärnten, die FH JOANNEUM sowie die Slowenische Akademie der Wissenschaften, die Universität Maribor und Sloweniens Ministerium für Umwelt und Raumplanung. Fördergeber ist das EU-Programm Interreg Slowenien-Österreich.

Ein Mann gräbt ein Loch in die Schneedecke, um das Schneehöhenradar zu platzieren.
Das Radarsystem wird unter der (in diesem Fall 2,3 Meter hohen) Schneedecke platziert. Von dort sendet es Funkwellen, um die physikalischen Eigenschaften der Schneedecke zu bestimmen. Foto: © FH JOANNEUM / Robert Okorn

Messdaten sollen künftig auch online sichtbar werden

Die Ziele aus der Sicht des Instituts Electronic Engineering der FH JOANNEUM sind klar: Die Verbesserung der Radarmesstechnik hinsichtlich Sicherheit der Datenübertragung, Kompaktheit und Zuverlässigkeit des Geräts sowie der Stromversorgung stehen im Vordergrund. „Hierfür wurden im ersten halben Jahr bereits in allen Punkten neue Ansätze implementiert, wie etwa die Datenübertragung via Mobilfunk ins Internet und von dort direkt zu unserem Server“, berichtet Robert Okorn.

Weitere Ziele sind die Online-Darstellung der Messdaten in Echtzeit und deren Verknüpfung mit anderen, konventionell gewonnenen Messdaten durch die Projektpartner. „Wir liefern Messdaten in Echtzeit vom jeweiligen Aufstellungsort der Geräte und können so Informationen auch aus exponierten, oftmals nicht zugänglichen oder einsehbaren Lagen (auch direkt aus Lawinenhängen) zur Verfügung stellen“, so Robert Okorn. Dadurch lassen sich zeitliche Veränderungen der Schneeoberfläche und der internen Schneeschichten auf einzelnen Lawinenhängen gut verfolgen und eine genauere Erhebung der lokalen Schneemengen und Schneestabilität wird möglich. Daraus kann dann eine Situationsbewertung durch Lawinenkommissionen und Wetterdienste sowie gegebenenfalls eine Vorhersage erfolgen. Dies soll effektiv dabei helfen, die potenziellen Schäden einer Lawine möglichst früh abschätzen und eventuelle Schutzmaßnahmen einleiten zu können.

Das System wird in drei Regionen installiert: auf der Veitsch (Steiermark), der Mauthner Alm (Kärnten) sowie in Zelenica (Slowenien).

Zwei Arbeiter montieren das Schneehöhenradar auf der Veitsch.
Die Veitsch zählt zu jenen Regionen, in denen das Radarsystem zur Anwendung kommt. Foto: © FH JOANNEUM / Robert Okorn