Glas so dünn wie Baumwollblusen gibt es im Josef-Ressel-Zentrum zu sehen.
Foto: Klaus Morgenstern

Glas so dünn wie Baumwollblusen

Eva-Maria Kienzl,

Gebogene Wände, Stützen oder Fassaden, die sich der Umwelt anpassen – daran wird im neuen Josef Ressel Zentrum an der FH JOANNEUM geforscht. Die Besonderheit: Als Baustoff wird Glas verwendet, das weniger als zwei Millimeter dick ist. Das Forschungszentrum wurde am 24. Jänner 2017 eröffnet.

Durch welche Verbindungen wird Dünnglas tragfähiger? Wie werden Glaselemente bestmöglich miteinander verbunden? Wie prüft man, ob das Dünnglas für eine bestimmte Konstruktion geeignet ist? Antworten auf diese Fragen sollen im neuen Forschungszentrum der FH JOANNEUM gefunden werden. Innovative Anwendungen von Glas zu entwickeln, ist dabei Ziel. Wie das aussehen kann, erklären Studierende und wissenschaftliche MitarbeiterInnen.

Heute: Karton. In Zukunft: Ebene Dünnglasplatten, die durch das Kleben aneinander gebogen werden. (Foto: Klaus Morgenstern)
Heute: Karton. In Zukunft: Ebene Dünnglasplatten, die durch das Kleben aneinander gebogen werden. (Foto: Klaus Morgenstern)

DI Ivo Blazevic, Absolvent des Instituts Bauplanung und Bauwirtschaft der FH JOANNEUM, ist beim Partnerunternehmen SFL technologies GmbH und im Josef Ressel Zentrum tätig: „Dünnglas verändert sich anders als normales Glas. Durch die geringere Dicke ist es flexibler. Eine Eigenschaft, die wir in Zukunft im Gebäudebau nutzen wollen. Der Vorteil: Spezielle Formen werden aus ebenen Dünnglasplatten ausgeschnitten, die billiger und umweltschonender produziert werden können als gebogenes oder voluminöses Glas. Durch die Biegsamkeit kann man beim Zusammenkleben das Glas besonders formen. Kugelähnliche Gebilde entstehen.“

Studierende und MitarbeiterInnen haben schon jetzt viele Ideen für mögliche Dünnglasstrukturen entwickelt und Modelle gebaut. Es werden noch mehr werden. (Foto: Klaus Morgenstern)
Studierende und MitarbeiterInnen haben schon jetzt viele Ideen für mögliche Dünnglasstrukturen entwickelt und Modelle gebaut. Es werden noch mehr werden. (Foto: Klaus Morgenstern)

Was es dazu noch braucht, sind Ideen zu neuartigen Bauweisen und zum Einsatz. Erste Einfälle lieferten unter anderem Studierende der FH JOANNEUM. Zwei von ihnen sind Martin Maurer und Marco Baumgartner. Sie studieren „Bauplanung und Bauwirtschaft“. Neben statischen gibt es auch dynamische Modelle. Ein Beispiel ist eine Fassade, die man auf und zu schieben kann – ähnlich eines faltbaren Garagentors. Die Dünnglasplatten drehen sich dabei durch das Verschieben ineinander. Das Einsetzen in der Realität im Bauwesen ist ein ambitioniertes Ziel: Immerhin soll Glas ähnlich den Displays von Handys im Gebäudebau genutzt werden.

Glasfassaden sollen in Zukunft auch beweglich sein. Hier drehen sich die Dünnglasplatten beim Hochschieben ineinander. (Foto: Klaus Morgenstern)
Glasfassaden sollen in Zukunft auch beweglich sein. Hier drehen sich die Dünnglasplatten beim Hochschieben ineinander. (Foto: Klaus Morgenstern)

Hält das Dünnglas das aus? In unterschiedlichen Versuchen soll der jeweilige Einsatz getestet werden. Ein solches Verfahren für normales Glas ist der Doppelring-Biegeversuch. Dabei werden Verformung und Spannungsverteilung infolge von Druck getestet. Für Dünnglas muss man den idealen Radius für den Lastenring erst ermitteln, der die Belastung auf die Glasplatte ausübt. Auch alternative Versuchskonzepte für Glas unter zwei Millimetern werden dabei etwa von der wissenschaftlichen Mitarbeiterin DI Irma Kasumovic entwickelt.

Feierliche Eröffnung
Am 24. Jänner 2017 wurde das Josef Ressel Zentrum für Dünnglastechnologie an der FH JOANNEUM eröffnet. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) sowie der Christian Doppler Forschungsgesellschaft. Die MitarbeiterInnen und Studierende der FH JOANNEUM forschen unter der Leitung von FH-Prof. DI Dr. Jürgen Neugebauer in den kommenden fünf Jahren in enger Zusammenarbeit mit den Unternehmen APG International Inc., LISEC Austria GmbH und SFL technologies GmbH. Wissenschaftliche Partner sind die TU Darmstadt, TU Delft, PCCL und University of Cambridge.