Interview Sigrid

Sigrid Bürstmayr spricht über Nachhaltigkeit und Design

,

Sigrid Bürstmayr ist an der FH JOANNEUM als Hochschullektorin tätig. Ihre Spezialgebiete sind Soziales & Nachhaltiges Design sowie Ausstellungsdesign, welche sie in den Bachelor- und Masterprogrammen am Institut unterrichtet.

Wann haben Sie entdeckt, dass Sie für das Thema Nachhaltigkeit brennen?

Sigrid Bürstmayr: Seit ich mich erinnern kann, waren die Geburtstagsgeschenke von meiner Familie in das gleiche gebrauchte Geschenkpapier verpackt. Bis heute gibt es in meinem Elternhaus Schachteln voller gebrauchter Reißverschlüsse und Knöpfe, die aus alten Kleidern entfernt wurden. Und ich erinnere mich noch, dass ich die Knöpfe nach Farbe und Größe sortiert habe. In meiner Kindheit dachte ich, dass diese Art zu leben normal ist. Mir war nicht klar, dass dies nachhaltig ist und ein Schritt in Richtung Abfallvermeidung. Ehrlich gesagt hat es mich genervt, die gebrauchte Kleidung von meinen Geschwistern und Cousins zu tragen und den ganzen Winter über Kartoffeln, Kohl und Äpfel zu essen, weil sie auf unserem Hof gewachsen sind und es gerade deren Saison war. All diese Erfahrungen haben mein Leben von Anfang an geprägt. Der Einfluss meiner Erziehung ist einer der Gründe dafür, wo ich jetzt bin ‒ meine Position im Leben, meine Einstellung, die Themen, denen ich mich widme und die mich in meiner Arbeit und auch privat begeistern.
Heute versuche ich so wenig wie möglich zu verbrauchen und möglichst wenig Abfall zu produzieren. Wenn ich wirklich etwas Neues brauche, versuche ich möglichst Fair-Trade- und Bio-Produkte zu kaufen, saisonal, lokal, verpackungsfrei und direkt vom Hersteller.

Warum sind diese Themen Ihrer Meinung nach gerade im jetzigen Moment so wichtig?

Diese Themen waren schon immer wichtig. Aktuell kommt man an Problemen wie dem Klimawandel, der Überbevölkerung und der Ressourcenknappheit nicht mehr vorbei. Die Art und Weise, wie die meisten von uns leben, wie wir produzieren und verbrauchen, ist einfach nicht zukunftsorientiert. Immer wichtiger werden Initiativen und Trends wie die Sharing Economy, Minimalismus, Fair Trade, offene Bücherregale, Fair-teiler. Design-Aktivismus richtet sich an Randgruppen unserer Gesellschaft, gegen Verletzungen der Menschenrechte, sowie für den Klimawandel und den richtigen Umgang mit Fake News. Er strebt einen positiven sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Wandel in allen Aspekten unseres täglichen Lebens an.

Wie ist es zu Ihrer Tätigkeit an der FH JOANNEUM gekommen und was haben Sie davor gemacht?

Vor meinem Studium habe ich ein Jahr im Ausland gearbeitet und dann Design und Produktmanagement an der FH Salzburg und in Schweden studiert. Das Praktikum in einem Verpackungsdesignunternehmen hat mir mein Diplomarbeitsthema gebracht. Danach hatte ich einen Job in einem App-Entwicklungs-Start-up, wo meine Aufgaben im Bereich Marketing, Grafik- und Messestanddesign lagen. Mein „Ausstellungsdesign“-Studium an der FH JOANNEUM habe ich mit einer Masterarbeit zum Thema Upcycling abgeschlossen. Im Laufe all dieser Karriereschritte und meiner meisten Projekte habe ich mich mit Materialien beschäftigt. Vor allem durch die Masterarbeit gab es Folgeprojekte an der FH JOANNEUM und mein Schwerpunkt im sozialen und nachhaltigen Design hat sich immer mehr verstärkt.

Was sind Ihre Ziele und Visionen für die Zukunft?

Das viele Reisen, die Besuche von Partneruniversitäten und Konferenzteilnahmen und den damit verbundenen Treffen mit beeindruckenden, motivierten und inspirierenden Leuten bringen mich ständig weiter. Durch diesen Erfahrungsaustausch stoße ich auf neue Ideen aus den verschiedenen Branchen und Kulturen. Und schlussendlich geht es um interdisziplinäres Arbeiten und darum gemeinsam Verantwortung zu übernehmen ‒ Politik und Wissenschaft, Wirtschaft und Designerinnen und Designern, Aktivistinnen und Aktivisten sowie die Bevölkerung. Designerinnen und Designer fungieren hier oft als Bindeglied zwischen Herstellern und der Zielgruppe. Obwohl wir von Anfang an in die Produktentwicklung einbezogen sind und Einfluss auf die Materialauswahl und den Herstellungsprozess nehmen, liegt die Verantwortung nicht nur bei den Designerinnen und Designern. Denn es ist am Ende die Entscheidung von uns als Konsumentinnen und Konsumenten, welche Produkte wir benötigen und welche wir kaufen. Und das beeinflusst die Wirtschaft ‒ und zwingt schlussendlich Unternehmen dazu, sich zu ändern.

Hinweis:

Sigrid Bürstmayr ist Hochschullektorin für den Bachelorstudiengang „Informationsdesign“ sowie die Masterstudiengängen „Ausstellungsdesign“ und „Communication Design“.