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Legenden unter sich und Europa am roten Teppich
Es ist wieder einmal soweit. Im Zug am Semmering Richtung Wien schmeckt der Espresso besonders gut. Die Landschaft zieht vorbei, als wäre sie selbst auf Dienstreise. Unweigerlich stellt sich die Frage, wie viele Espressi ich heuer schon auf dieser Strecke getrunken habe? Die genaue Zahl kenne ich nicht, sicher ist nur: Es waren aber definitiv viele. Gestern stand eine Keynote im Cineplexx in Villach am Programm, morgen folgt eine in Wien. Beim Gedanken, dieser Tage öfter im Kino gewesen zu sein als Arnold Schwarzenegger, muss ich schmunzeln. Der Terminator prägte schließlich meine Jugend. Klar ist aber auch: Arnie spielt definitiv in einer ganz anderen Liga. Und wenn der Blick schon Richtung Hollywood wandert, bietet sich ein Zwischenstopp an.
In den USA läuft derzeit ein filmreifer Bieterwettstreit. Netflix möchte Warner Bros. Discovery übernehmen, doch plötzlich drängt Paramount mit einem feindlichen Angebot dazwischen. Milliarden prallen auf Milliarden, Banken und arabische Staatsfonds stehen bereit, die Politik mischt kräftig mit, und Donald Trump kündigt an, persönlich Einfluss nehmen zu wollen. Ein Drehbuch, das Hollywood selbst kaum spektakulärer inszenieren könnte. Vielleicht ein Stoff für Arnies nächste Hauptrolle, wer weiß.
Schwarzenegger lebt seit Jahrzehnten in den USA, seine Wurzeln liegen aber in der Steiermark. Und damit schwenken wir zurück nach Europa. Die europäischen Indizes haben 2025 eine außergewöhnlich starke Performance hingelegt. DAX und ATX überflügelten Dow Jones, S&P 500 und selbst die Nasdaq. Das wirkt wie Balsam auf unsere „geschundene“ Seele, da wir Europäer:innen in den vergangenen Jahren oft nur staunend hinterherhechelten. Doch eine wichtige Frage bleibt: Wie sehen internationale Investorinnen und Investoren den Standort Europa wirklich?
Kaum jemand kann das besser beantworten als Jamie Dimon, Chef von JP Morgan und darüber hinaus eine der einflussreichsten Stimmen der Finanzwelt. Seine jüngste Einschätzung fällt ungewöhnlich scharf aus. Europa habe Unternehmen, Investitionen und Innovationen vertrieben. Ein Satz, der sitzt, weil er nicht aus politischem Kalkül fällt. Im Frühjahr sprach er noch von Reformbereitschaft und Aufbruch. Heute beschreibt Dimon Europa als einen Kontinent, der sich in innere Debatten verheddert, während andere Regionen Tempo aufnehmen. Besonders bemerkenswert ist seine Warnung, dass ein geschwächtes Europa nicht nur uns selbst schadet, sondern auch den USA. Trotz rauem Ton und neuen Zöllen bleibt Europa ein zentraler Verbündeter. Wenn dieser Pfeiler instabil wird, verliert die Welt an Balance. Ob das der liebe Donald Trump wohl auch so sieht?
Der Blick geht daher weiter zu Buffett. Der liebe Arnie ist auf der Leinwand ein Superstar, doch am globalen Finanzparkett spielt seit vielen Jahrzehnten ein anderer, fast unscheinbar wirkender Mann die Hauptrolle. Warren Buffett gilt für viele als der wohl bedeutendste Investor unserer Zeit. Sein Weg führt von Null, als Zeitungsausträger mit erster Aktie, zu einer der beeindruckendsten Vermögensleistungen der Geschichte. Eine einzelne Berkshire-Hathaway-Aktie kostete Ende der 1970er-Jahre rund 100 Dollar. Heute sind knapp 736.300 Dollar fällig. Keine Splits, keine kosmetischen Eingriffe. Buffett wollte, dass seine Investor:innen jeden einzelnen Schritt des Wertaufbaus unmittelbar im Kurs verfolgen und damit seine Leistung beurteilen können. Chapeau, lieber Warren!
Seine Prinzipien wirken unspektakulär, sind aber radikal konsequent. Langfristiges Denken statt nervöser Aktivität. Klarheit statt Trendhetze. Besonders eindrücklich ist seine Lochkarten-Analogie: Jede Anlegerin und jeder Anleger solle sich vorstellen, im ganzen Leben nur Platz für zwanzig Investments zu haben. Jeder Stich müsse sitzen. Dieser Gedanke zwingt zu Disziplin, Fokus und ruhigem Entscheiden. Eine Haltung, die an den Märkten selten geworden ist.
Dieser Tage rumort es im Berkshire-Universum. Todd Combs, viele Jahre Hoffnungsträger für die nächste Generation, verlässt das Unternehmen und wechselt zu JP Morgan. Auch der Finanzchef geht. Buffett, mittlerweile 95, bereitet seinen Rückzug vor. Greg Abel wird übernehmen. Hinter den Kulissen brodelt es, und das neue Führungsteam wird erst zeigen müssen, ob es den großen Fußstapfen gerecht wird.
Während all das passiert, senkt die US-Notenbank die Leitzinsen um weitere 0,25 %. Eine Maßnahme, die von vielen erwartet wurde und daher wenig neue Impulse liefert. Der internationale Takt bleibt hoch, doch der Zug am Semmering fährt ruhig weiter. Die Espressotasse steht bereits leer vor mir. Mein Gedankenkarussell läuft auf Hochtouren.
Auch die Welt dreht sich immer schneller. Der Blick in die Ferne ist wichtiger als jede kurzfristig noch so relevant erscheinende Schlagzeile, die über den Newsticker rauscht. Genau diese Haltung verbindet zwei Persönlichkeiten, die auf völlig unterschiedlichen Bühnen groß geworden sind. Schwarzenegger wurde mit Konsequenz, Disziplin und einem langen Atem zu einer Ikone in Hollywood. Warren Buffett nutzte dieselben Eigenschaften, um zum erfolgreichsten Investor seiner Generation zu werden. Beide zeigen, dass Grundsätze eine größere Kraft entfalten als hektisches und kurzfristig orientiertes Taktieren. Der Zinseszins lässt grüßen. Für Unternehmerinnen und Unternehmer gilt das genauso.
Dieser Tage tritt eine Legende ab. Ein Investor, der ganze Generationen geprägt hat. Auch wenn es schön wäre, wird der liebe Warren den Satz, der Arnold Schwarzenegger weltberühmt machte, vermutlich nie sagen: I’ll be back. Genau deshalb bleibt nur eines: Danke, lieber Warren. Für Haltung, für Demut, für Klarheit. Für ein Lebenswerk, das zeigt, wie weit man mit Ruhe und Konsequenz kommt. Und diese Prinzipien werden auch in Zukunft gelten.