Ein Blick zurück in die Geschichte der Science-Fiction-Literatur und in die Welt der technischen Tüftler verdeutlicht sehr rasch, wie sehr durch diese „verspielten“ Menschen die Zukunft geprägt wurde. Man denke etwa an Jules Vernes (übrigens ein Lieblingsautor des damals gleichfalls spielerisch mit der Welt verkehrenden und experimentierenden Ernesto „Che“ Guevara…), von dessen abenteuerlichen Visionen heute etliche schlichter Alltag sind – wie Tiefsee-U-Boote, Raumfahrt oder Ballontourismus über Afrika…
Auch die konstruierte „schöne neue Welt“ eines Aldous Huxley lässt heute eine erschreckende Ähnlichkeiten mit unserem Schönheit- und Glück-vernarrten Social-Media-Alltag erkennen.
Genies wie Thomas Edison oder sein serbischer Konkurrent Nikola Tesla entwickelten durch konsequentes, zuweilen verbissenes Herumprobieren an „Unmöglichem“ Neuerungen, welche die Welt grundlegend veränderten: Elektrizität, Radio, Leuchtstoffröhren, Roboter oder Laser… So gesehen könnte man Tesla sogar als einen geistigen Großvater von „Star Wars“ betrachten…
Gemeinsamkeiten
All diesen „Nerds“ gemeinsam ist ihre spielerische Herangehensweise an die Welt: Sie fragen nicht im Faustischen Sinne danach, „was die Welt im Inneren zusammenhält“. Vielmehr pfeifen sie auf die bestehenden Dogmen und Glaubensbekenntnisse, um sich der Erkundung von Möglichkeiten zuzuwenden: Indem sie einander bislang fremde Belange versuchsweise miteinander verknüpfen und zu etwas völlig Neuem, bislang noch Ungedachtem modellieren und darüber freudig staunen. Auf diese Weise simulieren sie mögliche zukünftige Wirklichkeiten, machen sie betrachtbar, haptisch angreifbar und in diesem Sinne zunehmend auch kognitiv „begreifbar“ – und damit in weiterer Folge auch für den Alltagsgebrauch verwertbar.
Spiele der Zukunft
Dies gilt erst recht für Spieleentwickler, deren Hauptgeschäft gleichsam eine Art „Reisevermittlung in die Als-ob-Welt“ ist: Sie machen mögliche Zukunftsentwicklungen schon heute „betretbar“, erfahrbar und dadurch bewältigbar. Somit sind Spieleentwickler – gleich einem zweischneidigen Schwert – sowohl Pioniere und Wegbereiter, wenn nicht gar Katalysatoren der Technisierung und Digitalisierung unserer Lebenswelt (Nintendo, X-Box, Cloud, Big Data, Rasterfahndung…), aber auch ihre Dompteure. Denn wer die Chance genutzt hat sich durch intelligente Spiele mit der Digitalisierung auf anregende Weise auseinanderzusetzen, empfindet den technischen Fortschritt eher als Chance denn als lähmende Überwältigung.
Analoge Spiele in einer digitalen Welt?
Dompteure der Digitalisierung sind Spieleentwickler vor allem, indem sie – einmal mehr – dem neuen „Goldene Kalb Digitalisierung“ eine alternative Welt entgegensetzen: das analoge Brettspiel! Denn diese Sets aus bunten Kartonfeldern, Würfeln, Spielfiguren und ausgefeilten Aufgaben, Regeln und Hindernissen boomen wie nie zuvor. Dies lässt sich auch bei lebensgroße Analog-Spielen erkennen, denkt man etwa an die virale Verbreitung von „Escape-Rooms“…
Als würde mit zunehmender Digitalisierung die Sehnsucht nach dem unvermittelt „Be-Greifbaren“, dem direkt „Erlebbaren“ und persönlich „Beeinflussbaren“ – nach konkreten Beziehungen jenseits der verworrenen Virtualität wachsen. Könnte es sein, dass es den „Spielern“ bei ihrem begeisterten treiben etwa gar um die im Tourismus so intensiv beschworene „Authentizität“ geht?
Tourismus als Spiel
Den Tourismus könnte man als das populärste „Analog-Spiel“ überhaupt bezeichnen. Als Touristen schlüpfen wir in alle nur erdenkbaren Rollen in exotischen Kulturen jenseits unseres Alltags, werden zu Badenixen, PiratInnen, Eroberern oder ArchäologInnen, Hippies oder KönigInnen, als die wir uns vorübergehend neu auszuprobieren, neu erleben können – und dabei jede Menge Spaß erleben, solange wir innerhalb der Grenzen des „Als-Ob“ bleiben, jenseits aller Ernsthaftigkeit. Denn damit müssen sich jene Menschen auseinandersetzen, welche sich zur Inszenierung der „Erlebniswelten“ und zur Gestaltung der „Spielregeln“ berufen fühlen: Menschen wie Tourismusprodukt-Designer, Destinationsmanager, PolitikerInnen, WirtschaftsstrategInnen und andere Spieleentwickler.
Denn das Leben ist zu wichtig, um ernst genommen zu werden.
Deshalb freut sich die FH JOANNEUM auf einen äußerst anregenden Vortrags- und Diskussionsabend mit dem Bad Gleichenberger Spiele-Designer Klemens Franz beim 48. Thermenkreis unter dem Motto „Die Zukunftsmacher: Spiele-Entwickler als Dompteure der Digitalisierung“.
Der Thermenkreis ist eine offene Diskussionsveranstaltung und wird veranstaltet von der FH JOANNEUM, dem Tourismusverband Bad Gleichenberg, dem Kurhaus und dem Vulkanland.