Mobilität neu denken – nach Covid-19?
Die Pandemie gibt Denkanstoß für mehr Bewegung und weniger Individualverkehr. Foto: FH JOANNEUM

Mobilität neu denken – nach Covid-19?

Karin Kuchler,

Vor einem Jahr hat uns die Covid-19-Pandemie in Österreich erreicht und mit dem ersten Lockdown unser Leben erheblich auf den Kopf gestellt. Auf den Straßen wurde es ruhiger, die Luftqualität spürbar besser und plötzlich hörten wir wieder Vogelgezwitscher. Eine kleine Mobilitätswende lag in der Luft – ein Beispiel dafür, wie eine große Mobilitätswende gelingen kann?

Das Jahr 2020 war für uns alle turbulent und von Lockdowns, neuen Arbeitswelten und Hygienemaßnahmen geprägt. Besonders die Zeit des ersten Lockdowns prägte das österreichische Straßenbild durch ein stark verringertes Verkehrsaufkommen und die Reduktion der generellen Mobilität um ca. 54 Prozent (Quelle: futurzone.at). Der Effekt war nach kurzer Zeit bereits sicht- und spürbar: weniger Lärmbelästigung, mehr Luftqualität und die Tierwelt eroberte sich Lebensraum zurück. Die Mini-Mobilitätswende hat uns gezeigt, welche positiven Auswirkungen eine Anpassung unseres Mobilitätsverhaltens auslösen kann. Es stellt sich natürlich die Frage wie wir aus der kleinen Mobilitätswende eine dauerhafte, große Mobilitätswende machen können und ob wir diese überhaupt möchten. Die Forscherinnen und Forscher des Instituts Energie-, Verkehrs- und Umweltmanagement setzten sich im vergangenen Jahr intensiv mit dem Thema auseinander und haben einige Argumente für neue Mobilität festgehalten.

Mehr Bewegung – längere Lebenserwartung

Wir alle wissen, dass aktive Mobilität in Form von Rad- oder Rollerfahren oder zu Fuß gehen nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch gesund ist. Eine aktuelle Studie des VCÖ bestätigt, dass Bewegungsmangel dazu führt, dass die österreichische Bevölkerung zahlreiche beschwerdefreie Lebensmonate verliert. Mehr Lebensqualität, weniger körperliche Einschränkung durch mehr aktive Mobilität im Alltag – wie können wir diesen Trend fördern und stärken? Ein wesentlicher Punkt liegt in der Umgestaltung von urbanen Räumen und Infrastruktur um aktive Mobilität zu ermöglichen. Attraktive Geh- und Radwege, sichere Bewegungsräume und Städte der kurzen Wege (zum Beispiel 15 Minuten-Städte) machen Lust auf darauf sich anders und aktiv fortzubewegen.
Ob Begegnungszonen, Fahrradstraßen oder Wohnstraßen – sämtliche Maßnahmen setzen die richtigen Impulse. Studierende des Bachelorstudiums „Energie-, Mobilitäts- und Umweltmanagement“ haben noch vor der Krise im Rahmen einer Green Tech Challenge Konzepte für mehr Radverkehr in der Grazer Innenstadt entwickelt. Die Anwendbarkeit der Konzepte wurde während strenger Covid-19 Lockdowns bestätigt. Tolle Beispiele von Pop-up Radwegen in europäischen Metropolen wie Paris, Mailand oder Berlin setzten ein Zeichen für sanfte Mobilität. Diese Städte haben erkannt, dass es zu wenig Platz für sanfte Mobilität gibt und haben kurzfristig Straßen für den motorisierten Verkehr gesperrt um Mobilitäts- und Lebensraum zu schaffen. In Paris wurden, zum Beispiel, 50 km Pop-up-Bikelanes fast über Nacht an den bestehenden Routen der U- und S-Bahnlinien eingerichtet.

Die Gewinner der Green Tech Challenge.
Foto: FH JOANNEUM
Die Gewinner der Green Tech Challenge.

Neue Wege in die Arbeit

Ein wesentlicher Weg, der in Österreich mit dem Auto absolviert wird, ist der Weg zur Arbeit. Auch in diesem Bereich hat sich im letzten Jahr durch Homeoffice-Arrangements einiges verändert. Trotzdem, laut VCÖ werden an Werktagen rund 98 Millionen Personenkilometer zurückgelegt um in die Arbeit und wieder nach Hause zu gelangen. Über 50 Prozent dieser Arbeitswege sind jedoch kürzer als 10 Kilometer und könnten auch mit anderen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden. Der nächste Schritt wäre also das Bewusstsein, wie man das Pendeln zur Arbeitsstelle weiter optimieren kann. Gibt es Alternativen zu unseren klassischen Pendellösungen? Für Unternehmen bieten sich interne Lösungen an, die für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sowie das Unternehmen Vorteile mit sich bringen. Ein Stichwort hier lautet „Betriebliches Mobilitätsmanagement“. Durch die Anschaffung von Jobfahrrädern werden beispielsweise Parkplatzflächen eingespart, das Gesundheitsprogram des Unternehmens gestärkt und Verkehr zu Stoßzeiten reduziert. Eine ähnliche Maßnahme wäre die Förderung von Fahrgemeinschaften oder die Unterstützung von ökologischeren Pendeloptionen. Das geförderte Öffi-Ticket für Bus und Bahn kann sicherlich „Bewegung“ in das Thema bringen.

Ein praktisches Beispiel für solche Initiativen findet man am Standort des Masterstudiums „Energy and Transportmanagement“. Hier bemühen sich die Stadt Kapfenberg und die ÖBB um eine Attraktivierung des Bahnverkehrs. Der Komplettumbau des Bahnhof Kapfenbergs ist das erste Schritt in Richtung Bahnoffensive in Kapfenberg. Zusätzlich soll ein attraktiv gestalteter Mobilitätsknoten am Frechnerplatz, gegenüber des Bahnhofs, das Angebot für E-Mobilität (Elektro-Car-Sharing, Elektrofahrräder, Stellflächen für Fahrräder, etc). vergrößern. Das geplante Mobilitätszentrum mit Infostelle soll die Bevölkerung sensibilisieren und ökologische Alternativen in den Vordergrund stellen. Bei der Planung dieser Lösungen war unter anderem das Projektteam „E-Mobilität im Mariazellerland-Mürztal“ involviert.

Ein letztes Beispiel für gelungene Aufklärungsarbeit rund um Mobilität ist die Kooperation zwischen der Stadt Kapfenberg und Expertinnen und Experten des Instituts Energie-, Verkehrs- und Umweltmanagement. Momentan wird die Bevölkerung verstärkt über aktuelle bauliche Maßnahmen und Straßensperren in und rund um Kapfenberg informiert und aufgeklärt. Die Totalsperre der B116 in Kapfenberg, um die Gleis- und Brückenanlage zu erneuern, wird zu mehrtägigen Einschränkungen und Straßensperren führen. Diese Zeit ist für Kapfenbergerinnen und Kapfenberger ein guter Zeitpunkt um alternative Mobilitätsmöglichkeiten in der Stadt zu testen. Die Alternativen reichen von Radverkehr, verstärkter Nutzung des öffentlichen Verkehrs bis zum klassischen zu Fuß gehen.

Die aktuelle Straßensperre der B116 in Kapfenberg als Denkanstoß für alternative Mobilität.
Foto: Stadtgemeinde Kapfenberg
Die aktuelle Straßensperre der B116 in Kapfenberg als Denkanstoß für alternative Mobilität.

Als Resümee auf die Frage, ob eine große Mobilitätswende gelingen kann, steht fest, dass jede große Veränderung mit kleinen Änderungen beginnt. So sind die Beispiele des vergangenen Jahrs ein guter Weg in die richtige Richtung. Der Weg zur großen Mobilitätswende ist noch lange, dafür aber voller interessanter Innovationen und Veränderungen.

Tipp:

Erfahren Sie mehr über die Studiengänge „Energie-, Mobilitäts- und Umweltmanagement“ und „Energy and Transportmanagement“ in Kapfenberg.