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Fahrrad + urbaner Verkehr = weniger Unfälle?

Karin Kuchler, 18. August 2017
Fahrrad + urbaner Verkehr = weniger Unfälle? 2

ANP

Wir leben in bewegten Zeiten. Neue Mobilitätskonzepte, die unser Leben noch besser, noch schneller und noch moderner machen sollen, sind medial omnipräsent. Diese Konzepte setzen nicht nur auf Hightech, sondern auch auf das gute alte Fahrrad. Bernhard Kappel erforschte in seiner Bachelor-Arbeit, ob es einen möglichen Zusammenhang zwischen einem höheren Anteil an Fahrradfahrerinnen beziehungsweise Fahrradfahrern und weniger Unfällen im Straßenverkehr gibt.

Im Bereich der Stadtentwicklung kommt man momentan um ein Thema nicht umhin: Mobilität. So arbeitet beispielsweise die Stadt Graz kontinuierlich an der Umsetzung des Grazer Mobilitätskonzepts 2020. Wesentlicher Bestandteil dieses Konzepts ist eine nachhaltige Strategie, die auf „kurze Wege“ und „sanfte Mobilität“ setzt. Im Rahmen seiner ausgezeichneten Bachelor-Arbeit am Studiengang „Energie-, Verkehrs- und Umweltmanagement“ setze sich Bernhard Kappel mit einem besonderen Aspekt der sanften Mobilität auseinander. Er erforschte den Zusammenhang zwischen einem höheren Anteil an Fahrradfahrerinnen beziehungsweise -fahrern und einer sinkenden Zahl an Unfällen mit Personenschäden in Ballungsräumen.

Wir haben ihn zu seiner Arbeit und seinen Erfahrungen mit dem Thema befragt:

Photo: FH JOANNEUM

Betreuer Marijn Kiers und Bernhard Kappel nach erfolgreich absolvierter Bachelor-Prüfung

Wie entstand die Idee zu Ihrer Bachelor-Arbeit?

Ich bin selbst Radfahrer und fahre circa 2.500 Kilometer pro Jahr in der Stadt Graz und Umgebung. Ich hatte selbst schon den einen oder anderen kleinen Unfall und sehe öfters Konfliktsituationen, meist zwischen Autolenkerinnen und Autolenkern und Radfahrerinnen und Radfahrern. Mein Eindruck ist, dass es immer mehr Radfahrerinnen und Radfahrer in der Stadt gibt, und dass die hohe Anzahl dazu führt, dass der Radverkehr insgesamt geordneter abläuft. Durch die höhere Anzahl von Fahrrädern werden auch Autofahrerinnen beziehungsweise Autofahrer sensibler und übersehen diese nicht so leicht. Diesen subjektiven Eindrücken wollte ich nachgehen und herausfinden, wie sich eine steigende Menge von Fahrrädern in der Stadt auf die Unfälle mit Personenschaden auswirkt.

Welchen Stellenwert messen Sie persönlich dem Thema Fahrradfahren im urbanen Raum zu?

Das Fahrrad ist, aus meiner Sicht, ein optimales Verkehrsmittel für den urbanen Raum. Radfahren ist gesund, billig, erzeugt keine Abgase und ist auf kurzen Strecken fast immer das schnellste Verkehrsmittel. Ein hoher Fahrradanteil in einer Stadt hat viele Vorteile und kann hervorragend funktionieren, wie Beispiele aus Holland oder Skandinavien zeigen.

Wie ist es Ihnen beim Verfassen der Bachelor-Arbeit ergangen? Welche Schwierigkeiten mussten Sie meistern?

Erste Literatur- und Datenrecherchen waren sehr vielversprechend. Es schien, als ob es Unmengen an Daten geben würde, die für Auswertungen verwendet werden könnten. Allerdings kam bald die ernüchternde Erkenntnis, dass die Daten keine gute Qualität aufweisen. Es gibt keine lückenlose Datenerfassung über längere Zeiträume. Viele Daten sind für spezifische Zwecke ermittelt worden, wie zum Beispiel einzelne Aktionen zur Verbesserung der Radinfrastruktur in einer bestimmten Stadt. Offizielle Stellen wie das Statistische Amt der EU (Eurostat) sieht Datenerhebungen zu diesen Themen vor, die Daten werden aber von den Mitgliedsstaaten nicht geliefert. Es gibt Länder, die haben noch nie Modal-Split-Daten (Anm.: Daten zur Verteilung des Verkehrs auf unterschiedliche Verkehrsmittel) an die EU weitergegeben. Um diese Hürden zu meistern, habe ich viel Aufwand in Datenrecherche und Datenaufbereitung investiert.

Welche Schlussfolgerungen konnten Sie im Rahmen Ihrer Arbeit ziehen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen erhöhtem Anteil an Radfahrerinnen und Radfahrern und geringeren Unfallzahlen?

Die Ergebnisse anderer Forschungsarbeiten lassen einen Zusammenhang vermuten. Diese betrachten aber meist definierte Szenarien. Ich habe in meiner Arbeit versucht, diesen Zusammenhang über die allgemeinen Unfallstatistiken nachzuweisen. Das gelang mir leider nicht. Die Ergebnisse zu den 58 Städten, zu denen ich Daten über den Zeitraum von 1990 bis 2015 verglichen habe, zeigen alle möglichen Varianten. Es gibt Städte, für die der Zusammenhang stimmt, es gibt aber auch Städte, in denen der Fahrradanteil und die Unfallzahlen parallel steigen. Die Unfallzahlen scheinen generell eher im Sinken begriffen. Das hängt aber offensichtlich auch von anderen, vom Fahrradanteil unabhängigen Faktoren ab. Geschwindigkeitsbeschränkungen oder technische Verbesserungen in Kraftfahrzeugen lassen Unfallzahlen ebenfalls sinken.

Welche Empfehlungen können Sie österreichischen Städten, die auch auf das Fahrrad im städtischen Verkehr setzten möchten, geben?

Ich denke es ist wichtig, Lösungen, mit denen der Fahrradverkehr attraktiver gemacht werden soll, zu erarbeiten und dann wirklich in vollem Umfang umzusetzen. Wenn beschlossen wird, getrennte Fahrradinfrastruktur in Form von Radwegen zu errichten, dann darf das nicht so passieren, dass die Radfahrerinnen und Radfahrer nur von der Straße ferngehalten werden. Die Radwege müssen direkt und mit möglichst wenig Unterbrechungen durch Kreuzungen geführt werden. Solche Lösungen sind oft teuer. Billiger sind Lösungen im Mischverkehr auf der Fahrbahn. Hier muss den Radfahrerinnen und Radfahrern ausreichend Platz gemacht werden und es müssen klare, für alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer ersichtliche Verkehrssituationen eschaffen werden. Halbherzige Lösungen führen zu mehr Konfliktsituationen und Unfällen.

Wie sehen Ihre Pläne für die Zeit nach dem Bachelor-Studium aus?

Ich werde ab Herbst das Master-Studium „Energy- und Transport Management“ an der FH JOANNEUM absolvieren. In der Zwischenzeit habe ich auch ein eigenes Unternehmen gegründet und bin unter anderem als Berater für Verkehrsunternehmen tätig. In einem aktuellen Auftrag geht es zum Beispiel um zusätzliche Mobilitätsangebote in Form von Carsharing als Erweiterung des öffentlichen Verkehrs. Diese Themen finde ich sehr spannend.

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