Haben Sie schon gehört?
Weltweit sind rund 466 Millionen Menschen von einem beeinträchtigenden Hörverlust betroffen. Foto: Pexels

Haben Sie schon gehört?

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Heute, am 3. März 2021 ist international der „Tag des Hörens“. Weltweit sind rund 466 Millionen Menschen von einem beeinträchtigenden Hörverlust betroffen, 34 Millionen davon sind Kinder. Die Tendenz ist steigend. Menschen mit Hörbeeinträchtigung würden von einer frühen Erkennung und frühen Versorgung mittels Hörgeräten profitieren, jedoch bleiben Hörbeeinträchtigungen häufig Jahre bis Jahrzehnte unerkannt oder unversorgt.

Ein Hörverlust im Erwachsenenalter zählt zu den zehn belastendsten Krankheiten, welche sich maßgeblich negativ auf die Lebenserwartung auswirken. Die Ursachen für die Entwicklung eines Hörverlusts sind vielfältig. Schätzungen zeigen, dass nur 17 Prozent der Menschen, welche von einem Hörgerät profitieren könnten, auch tatsächlich eines erhalten beziehungsweise benutzen. Menschen mit Hörbeeinträchtigung profitieren von einer frühen Erkennung und Versorgung mit Hörgeräten, jedoch bleiben Hörbeeinträchtigungen häufig lange Zeit unerkannt beziehungsweise unversorgt.

Die konventionelle Hörgeräteversorgung ist ein dynamischer Prozess, welcher individuell abgestimmt werden muss, um langfristig die Kommunikationsfähigkeit wiederherzustellen beziehungsweise zu erhalten. Nach genauer fachärztlicher Untersuchung (HNO-Status, audiometrische Verfahren) ist eine ärztliche Verordnung für Hörgeräte notwendig. Bei verschiedenen Hörgeräteakustikerinnen und -akustikern wird dann das geeignetste Hörgerät angepasst. Grundlage für die Entscheidung sind neben der medizinischen Ursache und Grad des Hörverlusts auch Bedürfnisse und Anforderungen der Patientinnen und Patienten im Alltag, zum Beispiel je nach Beruf oder verschiedenen Hörsituationen. Nach erfolgter Anpassung und einer entsprechenden Probezeit wird mit audiologischen Messungen der Hörerfolg ständig evaluiert und bei Bedarf Anpassungen getroffen.

Sind günstige Hörhilfen empfehlenswert?

Seit einiger Zeit sind günstige Hörhilfen zu Sonderaktionen auch im Lebensmittelhandel erwerbbar. Was es damit auf sich hat, haben wir uns näher angesehen. Beworben wird beispielsweise eine Hörhilfe um € 12,99 bei einer österreichischen Lebensmittelkette: Das Produkt sei „ideal für Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit“, verstärke „die Lautstärke aller Geräusche“, kommt mit „drei Aufsätzen zur individuellen Anpassung an den Gehörgang“ und weise eine „ergonomische Passform hinter dem Ohr“ auf. Technischerseits sei eine Verstärkung von maximal 40 Dezibel und eine Spitzenlautstärke von maximal 128 Dezibel (!) möglich. Zum Vergleich: Eine Kreissäge verursacht bis 110 Dezibel, ein Flugzeug in geringer Entfernung startet bei 120 Dezibel. Es handelt sich bei diesem Angebot um ein analoges hdO-Hörgerät (hinter-dem-Ohr), welches grundsätzlich ein gängiges Modell unter den konventionellen Hörgeräten darstellt. Offensichtlich ist es sowohl für das linke als auch für das rechte Ohr anwendbar. Theoretisch. Praktisch nicht, denn der Eindruck ist, dass es weder am linken noch am rechten Ohr optimal sitzt.
Die Hörhilfe kommt mit drei verschieden großen Ohrpassstücken, welche sehr weich sind und wenig bis keine Stabilität zu Befestigung in der Ohrmuschel geben. Wir finden, dass der Tragekomfort nicht gegeben ist. Das Gerät hält kaum hinter der Ohrmuschel und die Otoplastik, welche normalerweise vom Hörgeräteakustiker in einem speziellen Prozedere passgenau durch Ohrabdruck angefertigt wird, findet keinen Halt im Gehörgangseingang.
Die Verstärkung ist bei den geringen Stufen (0 bis 2) minimal. Möchte man mehr verstärken (3 bis 4) entwickelt die Hörhilfe ein Eigenrauschen, welches auch mitverstärkt wird. Der Klang wird blechern und passt sich nicht an die Umgebungssituation an. Nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Passform der Otoplastik ist kein Hörerfolg zu verzeichnen. In der Gebrauchsanweisung wird darauf hingewiesen, „das Gehör unbedingt von einem Arzt oder einem qualifizierten Hörhilfeakustiker untersuchen“ zu lassen, bevor die Hörhilfe verwendet wird. Des Weiteren wird auch darauf hingewiesen, dass die Einstellung ausschließlich von einem geschulten Experten vorgenommen werden soll.

Mehr Aufklärung gefordert ...

Mit der Möglichkeit des unkontrollierten Erwerbs eines Medizinproduktes, wird trotz der Hinweise in der Gebrauchsanweisung, weder Prävention noch Therapie von Hörverlust jeglicher Art unterstützt. Es ist aus logopädischer Sicht grob fahrlässig, Menschen freien Zugang zu einem bei falscher Anwendung potenziell gefährdenden Produkt (bereits ab 60 Dezibel können, je nach Einwirkungszeit, Schäden an den äußeren und inneren Haarzellen entstehen, was irreparable Hörschäden verursachen kann) zu gewährleisten. Diese freie Zugänglichkeit fördert den Gedanken des Nichtfrequentieren von Ärztinnen und Ärzten bei Beschwerden durch gefährliche Selbstversorgung ohne fachspezifisch notwendigen Blick. Prävention, Beratung und Versorgung von und bei Hörstörungen sollte sich im Sinne der Gesundheitsförderung freilich in eine andere Richtung bewegen. Es ist somit notwendig Aufklärung zu betreiben, welche eine bestmögliche Versorgung von Menschen mit Hörbeeinträchtigungen forciert.

Wie können Sie Ihr gesundes Hören erhalten?

• Regelmäßige Hörtests und Kontrollen bei Ihrem HNO-Arzt / Ihrer HNO-Ärztin.
• Verwenden Sie keine Wattestäbchen zur Ohrreinigung.
• Regulieren Sie die Lautstärke von Kopfhörern, Lautsprechern und so weiter auf ein Minimum.
• Nutzen Sie einen individuell angepassten Gehörschutz, wenn Sie lange Zeit einer hohen Schallbelastung ausgesetzt sind, zum Beispiel bei lärmintensiven Arbeiten, Konzerten, Discobesuchen, …
• Halten Sie sich kurzfristig die Ohren zu, wenn Sie etwas aus viel zu laut empfinden.

Seien Sie ganz Ohr und verlieren Sie keine Zeit, wenn Sie einen Hörverlust vermuten. Kontaktieren Sie Ihren HNO-Facharzt oder Ihre HNO-Fachärztin und lassen Sie sich umfassend beraten.

Hinweis:

Christina Leitinger ist Logopädin und seit 2015 im Krankenhaus der Elisabethinen Graz mit Schwerpunkt Diagnostik, Beratung und Therapie bei Hörstörungen, Sprachentwicklungsstörungen, Schluckstörungen, Stimmstörungen sowie Lähmungen an der HNO-Abteilung sowie konsiliarisch an weiteren Abteilungen beschäftigt. Seit 2017 unterrichtet sie am Studiengang „Logopädie“ der FH JOANNEUM im Schwerpunktgebiet Hören (Audiologie, Audiometrie, Pädaudiologie, apparative Versorgung).