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Kognitives lernen. Foto: FH JOANNEUM

Lernen mit Verstand: Kognitive Lernstrategien für einen nachhaltigen Erfolg

FH-Prof. Mag. Dr. Birgit Phillips,

Stehst du manchmal vor einem Berg von Lernstoff und weißt nicht, wo du anfangen sollst? Die Lösung liegt nicht im stundenlangen Wiederholen von Fakten, sondern in der Anwendung kognitiver Lernstrategien, die das Lernen nicht nur effizienter machen, sondern auch tiefer und nachhaltiger.

Nachdem wir in den ersten beiden Beiträgen ineffektive Lernstrategien identifiziert und uns mit wertvollen kognitiven und metakognitiven Strategien beschäftigt haben, tauchen wir nun tiefer in die Welt der kognitiven Lernstrategien ein. Wir wollen herausfinden, wie diese unser Lernen effektiver und nachhaltiger gestalten können.

Das Geheimnis hinter Arbeits- und Langzeitgedächtnis

Das Arbeitsgedächtnis dient als Zwischenspeicher, der Informationen kurzzeitig hält und verarbeitet. Es ist entscheidend für die aktive Auseinandersetzung mit neuem Lernmaterial. Das Langzeitgedächtnis hingegen speichert Informationen dauerhaft und ermöglicht, auf bereits Gelerntes zurückzugreifen. Beide Gedächtnisformen sind grundlegend für die Anwendung effektiver Lernstrategien.

Effektive Lernstrategien für tiefgreifendes Verständnis

1. Kontexteffekt meistern

Wenn du in verschiedenen Umgebungen lernst, verknüpft dein Gehirn das Gelernte mit vielfältigen sensorischen Erfahrungen, was den Abruf der Informationen erleichtert. Die Flexibilität deines Gedächtnisses wird dadurch verbessert, da es lernt, unabhängig vom Ort zu funktionieren.

Tipp: Studiere regelmäßig an verschiedenen Orten. Beginne damit, deine gewohnten Lernorte wie dein Zimmer, die Bibliothek, Parks oder Cafés zu wechseln. Beobachte, wie sich deine Erinnerung an den Lernstoff verändert, wenn du in unterschiedlichen Umgebungen lernst.

2. Herausforderungen annehmen

Herausforderungen stimulieren dein Gehirn und fördern die tiefe Verarbeitung von Informationen. Wenn du aktiv nach Lösungen suchst, stärkt dies die neuronale Verankerung des Gelernten und verbessert deine Fähigkeit, es langfristig zu erinnern.

Tipp: Setze dir Lernziele, die dich herausfordern, aber erreichbar sind. Versuche, komplexe Probleme zu lösen, bevor du die Lösung ansiehst, und arbeite mit Lernmaterial, das leicht über deinem aktuellen Niveau liegt. Dies fördert ein tieferes Verständnis und stärkt deine Problemlösungsfähigkeiten.

3. Kreativpausen einlegen

Kurze, bewusst gesetzte Pausen fördern die kognitive Flexibilität und Kreativität. Sie ermöglichen deinem Gehirn, Informationen zu verarbeiten und neu zu ordnen, was zu innovativen Lösungsansätzen und einem besseren Verständnis führen kann.

Tipp: Plane kurze Pausen in deine Lernsessions ein, in denen du bewusst etwas anderes tust, das dich entspannt oder inspiriert. Das könnte Spazierengehen, Zeichnen, Musik hören oder sogar ein kurzes Videospiel sein. Diese Pausen helfen, den Geist zu erfrischen und die Kreativität zu steigern.

4. Denkpausen nutzen

Längere Pausen geben dem Gehirn die notwendige Zeit, um auf einer tieferen Ebene über Probleme nachzudenken und festgefahrene Gedankenmuster zu durchbrechen. Dies kann zu Erkenntnissen führen, die bei kontinuierlichem Arbeiten ohne Unterbrechung möglicherweise nicht erreicht worden wären.

Tipp: Wenn du bei einem Problem feststeckst, nimm bewusst eine längere Pause davon und beschäftige dich mit einer anderen Aktivität. Kehre später mit einem frischen Blick darauf zurück. Dieser Abstand kann neue Einsichten und Lösungen bringen.

5. Abwechslung schaffen

Das Wechseln zwischen verschiedenen, aber verwandten Themen (Fachsprache: Interleaving) stärkt die kognitive Anpassungsfähigkeit und fördert ein umfassenderes Verständnis. Es zwingt das Gehirn, Unterschiede und Gemeinsamkeiten aktiv zu identifizieren, was die Lernprozesse optimiert und die Merkfähigkeit erhöht.

Tipp: Plane deine Lerneinheiten so, dass du zwischen verschiedenen Themen oder Fachbereichen wechselst. Statt dich einen ganzen Tag nur einem Fach zu widmen, teile deine Zeit zwischen verschiedenen Fächern auf. Dies hilft, das Lernen vielseitiger zu gestalten und verbessert die Fähigkeit, Wissen zu vernetzen.

6. Lernen verteilen

Das Verteilen des Lernens über längere Zeiträume hinweg (auch Spacing Effect genannt) unterstützt die natürlichen Konsolidierungsprozesse des Gehirns. Wenn du dir erlaubst, zwischen den Lerneinheiten zu pausieren, gibst du dem Gehirn Zeit, die Informationen zu verarbeiten und ins Langzeitgedächtnis zu überführen. Dies fördert nicht nur das Behalten, sondern auch die Fähigkeit, Wissen in neuen Kontexten anzuwenden.

Tipp: Erstelle einen Lernplan, der deine Lerneinheiten über Wochen hinweg verteilt, anstatt alles auf einmal zu lernen. Nutze dabei auch digitale Tools oder Apps, die dir helfen, dein Lernen zu planen und zu strukturieren. Vergiss nicht, regelmäßige Wiederholungen einzuplanen, um das Gelernte zu festigen.

Diese sechs Strategien, die auf soliden wissenschaftlichen Beweisen basieren, bilden zusammen ein kraftvolles Arsenal für jedes Studium. Sie basieren auf der Erkenntnis, dass effektives Lernen mehr erfordert als nur die Aufnahme von Informationen. Wenn wir unser Verständnis für die Art und Weise, wie unser Gehirn arbeitet, vertiefen und diese Erkenntnisse in praktische Lernmethoden umsetzen, können wir unser Lernpotenzial voll ausschöpfen.

Bleib dran, denn im nächsten Blog erfährst du, wie eine effektive Prüfungsvorbereitung aussieht.