Was kann Design in einer Stadt bewirken?

Was kann Design in einer Stadt bewirken?

Eva-Maria Kienzl,

Steigende Bevölkerungszahlen, großes Verkehrsaufkommen und Platzmangel – das Zusammenleben in der Stadt stellt ihre Bewohnerinnen und Bewohner vor viele Herausforderungen. Design kann hier einige Lösungen anbieten. Erika Thümmel hat sich im vergangenen Semester gemeinsam mit 17 Studierenden vom Master-Studiengang „Ausstellungsdesign“ mit der Frage „Wie Design Städte prägt?“ auseinandergesetzt. Im Interview erläutert sie die Aufgaben von Design in der Entwicklung städtischer Räume.

Design und Stadt: Wie funktioniert das Zusammenspiel?

Erika Thümmel: Die Antwort hängt immer davon ab, von welchem Design-Begriff man ausgeht. Sehr häufig wird Design als Gestaltung von Dingen verstanden, wie etwa Produktdesign, Industriedesign oder Grafikdesign. Aktuelle Design-Begriffe sehen das in der Regel umfassender: Sie sprechen zum Beispiel von einem Design von Wirtschaftsprozessen und integrieren demnach alle planerischen Entscheidungen.

Was kann Design im urbanen Kontext bewirken?

Erika Thümmel: Wir verstehen Design als Möglichkeit, die Lebenssituation der Menschen zu verbessern. Neben der ästhetischen Gestaltung von Orten beinhaltet Design auch die Planung von Prozessen und Abläufen im städtischen Zusammenleben. Der Ausbau eines Fahrradwegnetzes kann durchaus als Designaufgabe verstanden werden.

Die Gesellschaft profitiert vom Design also durch eine erhöhte Lebensqualität. Gibt es noch andere Vorteile, die Design für das städtische Zusammenleben bringen kann?

Erika Thümmel: Der breite Begriff des „Design Thinking“ greift in soziale Fragen ein: Die soziale Interaktion und die Integration sind zwei Themen, die aktuell mit dem Design von Städten in engem Zusammenhang stehen. In diesen Bereichen gibt es international spannende Projekte.

Gibt es hierfür ein Best-Practice-Beispiel in Graz?

Erika Thümmel: Eine gute und interessante Umsetzung ist unterschiedlichen Initiativen in einzelnen Grazer Vierteln gelungen. Das betrifft zum Beispiel den Lendplatz. Rund um ihn hat sich in den letzten Jahren ein neues gemeinschaftliches städtisches Leben entwickelt. Sehr interessant ist auch, was in der Annenstraße passiert. Die Entwicklungen gehen hier sehr stark von der Grazer Künstlerinitiative rotor aus. Viele dieser Initiativen haben wahrscheinlich ihr Handeln nicht in erster Linie als Designaufgabe wahrgenommen. Fakt ist: Sie haben auf das Design des umliegenden Gebietes wesentlichen eingewirkt.

Die Schachtelgebirge bilden die Silhouette von Montreal nach.
Foto: Maribel Dorfer
Die Schachtelgebirge bilden die Silhouette von Montreal nach.

Aktuell ist eine Ausstellung von Studierenden der FH JOANNEUM zu diesem Thema in der designHalle zu sehen. Wie sind die Studierenden als Kuratorinnen und Kuratoren an die Ausstellung herangegangen?

Erika Thümmel: Im Zuge einer Pflichtexkursion waren wir im Oktober vergangenen Jahres mit „Ausstellungsdesign“-Studierenden für eine Woche in Montreal und haben sie gemeinsam mit Studierenden der dortigen Designfakultät die Stadt erkunden lassen. Die Aufgabenstellung war herauszufinden, was Design in einer Stadt bewirken kann. Auch das Konzept und die Gestaltung der Ausstellung haben die Studierenden selbst erarbeitet. Im Zuge eines innerstudentischen Wettbewerbs wurde dann abgestimmt.

Für welches Konzept haben sich die Studierenden entschieden?

Erika Thümmel: In Montreal stehen viele kleine Häuschen aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert neben modernen Hochhäusern. Das reizvolle Zusammenspiel der unterschiedlichen Bauweisen hat uns fasziniert. Die Idee war, aus hunderten Schachteln die Silhouette von Montreal nachzubauen: Die Besucherinnen und Besucher können in einem nachempfundenen Straßenzug zwischen den Schachteln eher unbeachtete Aspekte des Designs in Montreal entdecken – wie die Studierenden zuvor selbst in Kanada.

„Was kann Design in Montreal?“ ist die zentrale Frage der Ausstellung. Zu welcher Erkenntnis sind die Studierenden gekommen?

Erika Thümmel: Das sind sehr unterschiedliche Aspekte: Beispielsweise haben die Studierenden beobachtet, wie sich unterschiedliche Menschen selbst etwas gestalten und damit in ihren Lebensraum einwirken. Wie zum Beispiel die Polizisten in Montreal, die ihre eigenen Dienstautos mit Aufklebern „verunstalten“, als Protestaktion gegen die Obrigkeit, die ihre Arbeitsbedingungen verändern wollte. Der Prozess der Selbstermächtigung hat sich in diesem Fall als Designprozess bemerkbar gemacht. Andere Beiträge befassten sich mit Verkehrsplanung, Aufklebern im Stadtbild oder Wegen durch die Hinterhöfe der Stadt. Im Zuge der Umsetzung haben wir versucht die Erkenntnisse auf prägnante Thesen zu reduzieren, wie etwa „Design kommuniziert“ oder „Design bringt Farbe in die Stadt“.

Ein Gang durch die Ausstellung in drei Sätzen.

Erika Thümmel: In einem rechteckigen Raum in der designHalle ist im Zentrum ein großes Schachtelgebirge positioniert. An drei Seiten ist die Stadtsilhouette aus Schachteln nachgebildet, die bis zur Decke reichen. Rund um und verteilt in den Schachteln sind in unterschiedlicher Größe und Höhe die 16 subjektiven Themen aufbereitet – in Form von kleinen Modellen, Videos oder Soundaufnahmen.

Tipp:

Ausstellung: Was kann des sein?

Donnerstag, 1. Mai bis Sonntag, 31. Mai 2015 – jeden Tag von 12 bis 19 Uhr geöffnet

Ort: designHalle, Lazarettgürtel 62, 8020 Graz

Die Ausstellung findet im Zuge des Designmonat Graz statt.