Pressemitteilung

Future Lectures zur regionalen Lebensmittelversorgung von Graz an der FH JOANNEUM

 

Der Studiengang „Nachhaltiges Lebensmittelmanagement“ der FH JOANNEUM veranstaltete zum zweiten Mal die Future Lectures – eine Veranstaltungsreihe, die jährlich von drei unterschiedlichen Hochschulen in Kooperation mit dem FORUM Umweltbildung organisiert wird. Dabei werden Projekte vorgestellt und vor allem logistische Herausforderungen diskutiert.

Diesmal lag der Schwerpunkt auf der regionalen Lebensmittelversorgung von Graz und Graz-Umgebung. Was essen wir heute beziehungsweise wie können wir uns in der Zukunft regional ernähren? Wie sollen diese Lebensmittel bewegt werden? Diese und weitere Fragen wurden – auch unter dem Gesichtspunkt des ökologischen Fußabdrucks – in der Veranstaltung besprochen.

Smart Food Grid Graz

Ulrike Seebacher, Lehrende am Bachelor-Studiengang „Nachhaltiges Lebensmanagement“, stellte das Projekt Smart Food Grid Graz vor. Dabei handelt es sich um ein smartes Lebensmittelsystem, das auf den gesundheitsorientierten Ernährungsregeln der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (OGE) basiert. Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 30 Prozent aller benötigen Lebensmittel aus einem maximalen Umkreis von 30 Kilometern zu beziehen. Hierfür wurden viele Interviews mit Akteuren in Graz geführt sowie nationale und internationale Beispiele gesammelt. Daraufhin wurde ein vielstufiges Umsetzungskonzept entwickelt, aus dem eine Roadmap entstand. Diese zeigt auf, welche Maßnahmen für das Erreichen des Projektziels möglich sind, etwa die Einrichtung eines Lebensmittelrates in der Stadt Graz. „Die Stadt Graz sendet positive Signale, was den Lebensmittelrat angeht. Man spürt eine Aufbruchsstimmung bei verschiedenen Akteuren und auch das Interesse daran, konkrete Maßnahmen und Ideen umzusetzen,“ so Ulrike Seebacher. Auch ein Bauernmarkt 2.0 in Form von multifunktionalen, digitalen Abholstellen sowie ein regionaler Warenkorb, gefüllt mit Lebensmitteln aus der Region, stehen auf der Agenda.

Gesund, regional, saisonal

Barbara Walcher, Diätologin am LKH-Universitätsklinikum Graz, präsentierte ein Projekt für nachhaltige Ernährung, welches sie direkt am Universitätsklinikum umsetzte. Im Rahmen ihrer Masterarbeit im März 2016 nahm Barbara Walcher eine Ist-Stand-Analyse sowie eine Fragebogenerhebung bei 30 regionalen Lieferanten und Produzenten in der Steiermark vor. Ziel war es auch hier, den Anteil der regionalen und saisonalen Produkte auf 30 Prozent zu erhöhen. Dies erwies sich anfangs als schwierig, da im LKH-Universitätsklinikum täglich 6.000 Essen für Patientinnen und Patienten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zubereitet werden. Durch die Umstellung auf das Versorgungssystem Cook & Chill gelang es, den regionalen Anteil bei Salat und Joghurt innerhalb eines Jahres von knapp 12 auf 100 Prozent zu erhöhen. Bei Milch und Kalbfleisch liegt der Anteil österreichischer Produkte bei 100 Prozent. Barbara Walcher dazu: „Wir beziehen unseren Salat von Rauers Ernte in Bad Blumau und verwenden Biomilch von Mantscha. Außerdem ist jeder Mittwoch bei uns ein vegetarischer Tag. So können wir den Anteil regionaler und saisonaler Lebensmittel recht hochhalten.“

„Chance für kleinere Betriebe“

Anna Ambrosch ist Bäuerin bei Jaklhof, einem Bio-Gemüsebetrieb in Kainbach bei Graz. Ihrer Meinung nach kann regionale Lebensmittelversorgung nur gelingen, indem viele kleine, ökologische Betriebe entstehen und eine Chance bei den Konsumentinnen und Konsumenten bekommen: „Unser Motto am Hof ist: Wir sehen Zukunft, vom Samen bis zum Genuss. Damit regionale Lebensmittelversorgung in Graz und Umgebung gelingen kann, muss die Ernährung zukünftig saisonal stattfinden. Das bedeutet, man muss auf Tomaten, Gurken, Zucchini, Paprika und Co. verzichten, da Fruchtgemüsesorten nur bei konstanten Temperaturen um 20 Grad Celsius gedeihen. Hierfür ist ein enormer Energieeinsatz notwendig.“ Das Saatgut ist für sie ein zentrales Element der regionalen Lebensmittelversorgung, ebenso wie die Standortanpassung. Diese sei enorm wichtig, um Klimaveränderungen und –extreme (von trocken bis feucht) auszugleichen.

Regionale Lebensmittellieferung

Ein neues Konzept verfolgt Micha Beiglböck von der Online-Plattform nahgenuss.at. Hier werden Biobäuerinnen und Biobauern mit Konsumentinnen und Konsumenten verbunden. Mehrere Konsumentinnen und Konsumenten (bis zu 20) teilen sich ein Tier. Das Fleisch können sie online bestellen und sich entweder beim Hof abholen oder mithilfe von Kühlversand in ganz Österreich liefern lassen. Dies ist vor allem für Städte wie Graz hilfreich. „Gerade durch den Versand eröffnen sich neue Wege, speziell für entlegene Regionen. Die Post fährt sowieso von A nach B, so kann sich der Kunde die Autofahrt zum Bauern ersparen,“ sagt Micha Beiglböck. Laut ihm sei bei einigen Konsumentinnen und Konsumenten noch Misstrauen vorhanden, er sei jedoch optimistisch für die Zukunft. Die Plattform generiere bereits einen Umsatz von 250.000 Euro pro Jahr, was für den Online-Verkauf von Fleisch sehr hoch sei, so Micha Beiglböck.

Im Anschluss gab es noch einen Input von drei Studierenden des Bachelor-Studiengangs „Nachhaltiges Lebensmittelmanagement“ in Form einer kurzen Diskussion mit fixen Rollenverteilungen. Ziel war es, mögliche Szenarien für die Zukunft zu besprechen.

Zwischen den Inputs wurden auch immer wieder Fragen an das Publikum gestellt. Deren Ergebnisse wurden anschließend von Markus Schermer, Agrar- und Regionalsoziologe an der Universität Innsbruck, interpretiert. So zeigte sich: Fast alle Menschen im Publikum achten beim Einkauf auf die Regionalität der gekauften Produkte. Der Großteil hätte auch die Schweizer Volksinitiative 2018 „für gesunde sowie umweltfreundlich und fair hergestellte Lebensmittel“ (Fair-Food-Initiative) unterschrieben. In der Schweiz stimmten 61 Prozent dagegen.

51 Prozent der im Saal Anwesenden glauben auch, dass im Jahr 2030 der regelmäßige Lebensmittelbedarf in Graz zu etwa 50 Prozent mit Lebensmitteln aus der Region (rund 30 Kilometer um Graz) gedeckt wird. 40 Prozent halten einen 30-prozentigen Anteil für realistisch.

„Ich glaube, dass 50 Prozent sehr sportlich sind. Man sieht hier allerdings, dass vielen der soziale Bezug zu einem Produkt sehr wichtig ist. Der Konsument will zumindest ansatzweise nachvollziehen, woher das Produkt kommt. Das Vertrauen spielt also eine wichtige Rolle,“ so Markus Schermer.

Die Veranstaltung „Lebensmittel bewegen: Wie kann regionale Lebensmittelversorgung gelingen?“ soll jedenfalls den Startschuss für weitere Maßnahmen, Projekte und Ideen setzen.