Projekt

JuRegio – Chronist:innen des ländlichen Raums

Jugendbeteiligung und Kooperation im öffentlichen Raum

 

Das vom Land Steiermark geförderte Forschungsprojekt erhebt die Wahrnehmung des öffentlichen Raums und ländlicher Heimatregionen von Jugendlichen in einem partizipativen Forschungsansatz.

Projektziele

Aus einer Vielzahl an einschlägigen Studien, die sich mit der Problematik einer nachhaltigen Regionalentwicklung befassen, lassen sich folgende kritische Faktoren konstatieren:

  • Eine aktive Einbeziehung Jugendlicher in die konzeptionelle Erarbeitung einer Regionalentwicklungsstrategie auf Basis ihrer Alltagswelt unter Beachtung intra- und intergenerationaler Konfliktfelder sowie hinsichtlich geschlechterspezifischer Problematiken, die sich insbesondere in einer kooperativen Nutzung des öffentlichen Raums thematisieren lassen.

  • Die Erforschung differenzierter Wahrnehmungen der heimatlichen Region soll damit in den Fokus wissenschaftlicher Aufmerksamkeit treten und nach verbindenden Ressourcen gesucht werden.

  • Jugendliche können als verantwortliche „Chronist:innen“ ihrer Region in einem partizipativen Forschungssetting ihren emotional bedingten Beziehungslinien zu ihrem Heimatort selber nachforschen, zu Bewusstsein bringen und in einen institutionalisierbaren Prozess übertragen.

Ziel ist es, eine gestalterische Bühne im öffentlichen Raum aufzuzeigen, die Möglichkeiten einer bislang unbedachten Teilnahme eröffnet. Dies soll in einer intra- und intergenerationalen Kooperation erfolgen.

Vorgehen im Projekt

Das Projekt JuRegio geht der Frage einer effektiven Jugendbeteiligung und der nachhaltigen Bindung zu ländlichen Heimatregionen nach. Jugendliche werden auf Basis eines partizipativen Forschungsansatzes in der Ober- und Oststeiermark befähigt, selbst in ihrer Region den Blick zu öffnen, ihrer emotionalen Verbundenheit nachzuspüren und Potenziale zu entdecken. Mittels einer Fotodokumentation werden die Teilnehmer:innen zu aktiven Chronist:innen. Der Diskurs-, Gestaltungs- und Handlungsspielraum soll dabei als ein kooperativer Spielraum innerhalb und zwischen den Generationen und Geschlechtern erkundet werden. Die Künstlerin und Urbanistin Daniela Brasil begleitet den Prozess künstlerisch, ein Regionalentwicklungsexperte unterstützt die praktische Einbettung der Ergebnisse. Die interdisziplinäre Projektpartnerschaft ergänzt sich mit den Schwerpunkten auf Soziale Arbeit und Humangeografie. Das Forschungsdesign dieser Innovationsforschung zeichnet sich durch den originellen Einsatz sozialwissenschaftlicher Methoden aus.

  • Forschungsfrage 1: Wie nehmen Jugendliche den öffentlichen Raum in ihrer Region wahr?
  • Forschungsfrage 2: Welche Möglichkeiten einer aktiven Mitgestaltung sehen Jugendliche im öffentlichen Raum ihrer Region?
  • Forschungsfrage 3: Wie stellen sich Jugendliche eine kooperative Nutzung des öffentlichen Raums insbesondere hinsichtlich der Faktoren Gender und Generationen vor?

Für die Beantwortung der Forschungsfragen wird ein Mixed-Methods-Forschungsdesign eingesetzt. Im Mittelpunkt steht eine Intervention mit künstlerischen Foto-Dokumentationen und damit eine partizipative Forschung anhand der zentralen Methode einer visuellen Soziologie. Zwei Regionen wurden in der Steiermark in Form von Cases einbezogen. Jugendliche wurden über den Zugang von Schulen und Jugendzentren für eine Teilnahme an dem Projekt gewonnen.

Vor der Datenerhebung wurde das Forschungsfeld durch Expert:innen evaluiert und zwei Regionen der Steiermark, die an dem Projekt in weiterer Folge teilnahmen, ermittelt. Im Weiteren kam ein quantitativer Fragebogen für Jugendliche, aber auch für erwerbstätige Menschen und Pensionist:innen zum Einsatz.

Unter künstlerischer Begleitung wurden schließlich Fotodokumentationen mit Jugendlichen selbst durchgeführt, die von Workshops zur Prozessbegleitung vervollständigt wurden. Expert:inneninterviews, qualitative Interviews mit Jugendbetreuer:innen in den Regionen und Fokusgruppen mit Entscheidungsträgern vor Ort schlossen die Datenerhebung im Forschungsprojekt ab. Zusätzlich entstanden eine Masterarbeit aus dem Fach Raum- und Regionsentwicklung sowie zwei Masterarbeiten aus dem Fach Soziale Arbeit zu dem Forschungsprojekt.

Ergebnisse

Jugendliche sind eine heterogene Gruppe mit heterogenen Bedürfnissen und Wünschen, weshalb sich die Interessen der Jugendlichen an bestimmten öffentlichen Räumen oder bestimmten Gestaltungsmöglichkeiten dieser Räume dementsprechend unterscheiden. Dies muss bei der Entwicklung von Maßnahmen und Projekten der Jugendbeteiligung berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist der öffentliche Raum, vor allem hinsichtlich kommerziell genutzter Aufenthaltsräume, nur teilweise für alle Bevölkerungsgruppen offen und somit an den sozioökonomischen Status der Nutzer:innen geknüpft.

Die Multifunktionalität öffentlicher Räume und die damit einhergehenden Aushandlungsprozesse zwischen den verschiedenen Nutzer:innen-Gruppen im öffentlichen Raum sollte in partizipativen Projekten jeder Art mitbedacht werden. Interessensgegensätze zwischen unterschiedlichen Personengruppen sowie auch Generationen im öffentlichen Raum sind zwar zu erwarten, jedoch sollten diese nicht als Bedrohung erlebt werden, sondern vielmehr im Sinne einer Bereicherung und Förderung der Vielfalt konstruktiv bearbeitet werden. Nur weniger als ein Drittel der Befragten der vorliegenden Studie hatten in Ihrem Leben schon Erfahrungen mit Konflikten wie Lärm- und Sachbeschädigung, Vermüllung oder körperliche Auseinandersetzungen im öffentlichen Raum.

Demokratie und Motivation für aktive Beteiligung von Menschen kann nicht von heute auf morgen entstehen. Vielmehr ist es notwendig, dass Demokratie gelernt wird. Dies kann bereits im Kindesalter in Kindergärten und in der Volksschule beginnen. Die Untersuchung hat gezeigt, dass sich nur ein Teil (circa 20 Prozent) der Jugendlichen von der Lokalpolitik ernst genommen und vertreten fühlt. Zum einen liegt das an den steigenden schulischen Anforderungen und den vielen außerschulischen Tätigkeiten der Jugendlichen, zum anderen an der Verlegung vieler Freizeitaktivitäten in den virtuellen Raum. Jugendliche wünschen sich dafür mehr Mitsprache und Verständnis für ihre Bedürfnisse.

Um hier Motivation für Beteiligung zu wecken, ist es wesentlich, dass die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der Beteiligung transparent und klar kommuniziert werden, sodass von den Jugendlichen entwickelte Perspektiven und Pläne auch umgesetzt werden können. Besonders wichtig ist dabei, dass Personen in Schlüsselpositionen vor Ort wie beispielsweise Jugendarbeiter:innen oder Lehrer:innen die relevanten Themen der Jugendlichen aufgreifen und sie dabei unterstützen. Da das Jugendalter per se ein Zeitraum ist, in dem sich Jugendliche von Erwachsenen abgrenzen, sollte bei der Entwicklung von Beteiligungsprojekten mit Jugendlichen kreative Lösungen wie zum Beispiel Zusammenarbeit mit jungen Erwachsenen in Anlehnung an Peer Groups überlegt werden