Projekt

Mies (van der Rohe) weiterbauen

Entwurfsprojekte für die Krefelder VerSeidAG-Fabrik

 
Mies weiterbauen 11

Die Studierenden des Masterstudiengangs „Architektur“ bearbeiteten im Sommersemester 2017 gemeinsam mit den Studierenden der Partnerhochschule TH Köln ein Entwurfsprojekt für die Krefelder VerSeidAG-Fabrik.

Es gibt nicht viele Architektinnen und Architekten, die fast allen Studierenden bekannt sind. Aber wenn man die von der Seite aufgenommene Schwarz-Weiß-Aufnahme eines älteren Herrn zeigt, der auf einem Freischwinger an einem Tisch sitzt: schütteres, weißes Haar, mit einer Zigarre in der rechten Hand und den linken Arm locker über die Rückenlehne hängend – in leichter Drehung hin zum Fotografen – dieser Mann wird sofort als Ludwig Mies van der Rohe erkannt. Und es wird sehr still im Raum, wenn man dazu die Aufgabe herausgibt, im Kontext eines seiner Ensembles weitere Bauten planen zu dürfen.

Die Entwurfsaufgabe

Die Entwurfsaufgabe sah vor, auf der Grundlage der Ideen des Investors und mit dem Wissen über die Baugeschichte des Geländes und den alten Rahmenplan, eine architektonisch, städtebaulich und denkmalpflegerisch angemessene Lösung für die gewünschten Nutzungen auf dem Areal zu finden.

Die Studierenden sollten eine überzeugende architektonische Antwort auf die Problematik finden, ein Ensemble von so hoher Relevanz weiterzubauen, ohne die Entwürfe von Mies van der Rohe zu kopieren oder zu imitieren, sondern zu einer gestalterischen Harmonie von alt und neu zu finden. Dies konnte entweder in kluger Anlehnung an die Altbauten geschehen, oder aber in bewusster Abkehr von deren Gestalt.

Vom Investor Reiner Leendertz eingebracht wurde die funktionale Ausrichtung der Neubauten. Sein Ziel ist es, dort unter anderem ein Zentrum für die Tagungsindustrie entstehen zu lassen. Als Flächenvorgabe brachte Leendertz circa 5.000 m² für ein Kongress- und Tagungszentrum sowie ein Hotel mit 9.000 bis 20.000 m² ins Spiel (je nach Geschossigkeit, Angebot und Ausstattung).

Gemeinsamer Workshop in Krefeld und Köln

Bei einem gemeinsamen Workshop in Krefeld und Köln im März 2017 wurden von den Studierenden beider Einrichtungen folgende Punkte bearbeitet:

In einer ersten Entwurfsphase wurden die Nutzungen in einen städtebaulichen Masterplan eingewoben. Die Aufgabe war es, auf dem südlichen Abschnitt des Geländes Girmesgath ein städtebauliches Konzept für Neubauten zu errichten, die das Nutzungsspektrum des Areals erweitern und die städtebaulich ungeklärte Situation an dieser Stelle lösen sollten. Dabei galt es, folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  • Platzierung und Dimensionierung weiterer Hochbauten,
  • Zuwegungen auf das Gelände und innerhalb des Geländes,
  • Aufenthalts- und Verweilqualitäten,
  • ein Lösungsansatz für die angespannte Parkplatzsituation
  • sowie ein Grünkonzept.

Die von den Lehrenden beider Einrichtungen betreute Gruppenarbeit während des Workshops zeigte eindrücklich die akademischen Gemeinsamkeiten in der sensiblen und angemessenen Herangehensweise an Entwurfsaufgaben in einem solch historischen Kontext.

Entwurfsphase

Die Studierenden der FH JOANNEUM überarbeiteten in einem weiteren Schritt die städtebaulichen Konzepte in kleinen Teams und suchten sich anschließend ein Objekt heraus, für das sie in Einzelarbeit einen Gebäudeentwurf erarbeiteten.

Somit entstanden also nicht nur Entwürfe für den vermeintlichen „Zwilling“ des HE-Gebäudes (erarbeitet durch Studierende der TH Köln), sondern auch Konzepte für weitere Objekte auf dem zur Verfügung stehenden Areal.

Besuch in Graz – Ausstellung & Existing Structure Day

Anfang des Wintersemesters 2017/18 kam es zu einem Gegenbesuch der Kölner Entwurfsteilnehmerinnen und -teilnehmer in Graz. In einer gemeinsamen Ausstellung wurden bei dieser Gelegenheit die jeweiligen Ergebnisse präsentiert.

Im Rahmen der Ausstellung „Mies weiterbauen“ fand am Institut der Existing Structure Day mit Vortragenden unterschiedlicher Fachrichtungen statt.

  • Denkmalpflege in der Verseidag-Fabrik (Prof. Dr.-Ing. Daniel Lohmann, TH Köln)
  • Impulsvortrag (DI Alois Murnig, BDA Steiermark, Stv. Leitung)
  • Schule und Schulbau wandeln – zum Bildungszentrum Pestalozzi (Assoz.Prof. DI PhD. Zinner Michael, schulRAUMkultur / Kunstuniversität Linz)
  • Das Revitalisierungsprogramm des Landes Steiermark (DI Christian Haas, Land Steiermark)
Ergebnisse

Als alter Topos der Architekturgeschichte stellte die Entwurfsaufgabe für die Studierenden eine hochinteressante Herausforderung dar. Insbesondere bei der Mies’schen Nüchternheit des Neuen Bauens, für die uns mit den Bauten der VerSeidAG ein eindrucksvolles Denkmal überliefert ist, war es eine nicht gerade triviale Aufgabe, dem Alten ein Neues Gegenüber zu stellen, das bei allem Respekt seine architektonische Eigenständigkeit entwickelt.

"Die Studierenden haben es allesamt geschafft, überzeugende formale Lösungen zu finden."

Text: Daniel Lohmann & Tim Wakonig-Lüking

Prof. Dr.-Ing. Daniel Lohmann (TH Köln, Fakultät für Architektur, Institut für Baugeschichte und Denkmalpflege, Professur für Architekturgeschichte und Entwerfen)

DI Tim Wakonig-Lüking (Lehrender an der FH JOANNEUM Graz, Institut für Architektur & Management, Master-Studiengang Architektur)

Publikation

Im Rahmen des Projekts ist im Eigenverlag der FH JOANNEUM mit der Unterstützung durch das Land Steiermark, Abteilung 8 – Gesundheit, Pflege und Wissenschaft, Referat für Wissenschaft und Forschung eine Publikation der Entwurfsergebnisse entstanden:

Mies weiterbauen: Entwurfskonzepte für die Krefelder Verseidag-Fabrik
FH JOANNEUM Graz, Institut für Architektur und Management, Master-Studiengang Architektur & TH Köln, Fakultät für Architektur, Institut für Baugeschichte und Denkmalpflege | Graz | 2018

E-Book

Publikation Mies weiterbauen: Entwurfskonzepte für die Krefelder Verseidag-Fabrik