Science Story: Ergotherapie- Brigitte-Loder-Fink
Brigitte Loder-Fink lehrt am Institut Ergotherapie

Science Story: Handeln ermöglichen – Gesundheit fördern

Brigitte Loder-Fink,

Brigitte Loder-Fink ist mit Leib und Seele Ergotherapeutin und seit 2014 in der Lehre und Forschung an der FH JOANNEUM tätig. Es ist ihr ein Anliegen, dass Menschen trotz unterschiedlicher Gesundheitsprobleme Alltag erleben dürfen und sinnvoll empfundene Alltagshandlungen in allen Lebenslagen ermöglicht werden. In dieser Science Story wirft sie einen Blick darauf, wie Ergotherapie Forschung und Praxis miteinander verbindet.

"Was tun Sie den ganzen Tag? Stellen Sie sich vor, Sie könnten das nicht mehr…“ Empfinden Sie mal nach wie es wäre, wenn Sie ihre Hobbies, berufliche oder studentische Aktivitäten und gar Alltagshandlungen wie duschen, auf die Toilette gehen, telefonieren oder im Internet surfen, nicht mehr ausführen könnten.

In der ergotherapeutischen Forschung, die sich auch „Handlungswissenschaften“ auf Englisch: „Occupational Science“ nennt, werden die Auswirkungen des Tätigsein und (Nicht-)Tätigsein-können auf das Leben und die Gesundheit der Menschen in unterschiedlichsten Lebenslagen ermittelt und (ergotherapeutische) Interventionen auf ihre Wirksamkeit überprüft.

Brigitte Loder-Fink und Studierende.

Ergotherapeut:innen gehen davon aus, dass sinnvolles Handeln nicht nur ein menschliches Grundbedürfnis ist, sondern auch eine heilende und gesundheitsfördernde Wirkung hat. Ergotherapie unterstützt Menschen dabei ihre alltäglichen Aktivitäten und Lebensrollen so unabhängig und sinnvoll wie möglich auszuführen. Bedeutsame Handlungen spielen dabei eine zentrale Rolle. Durch die Förderung von Aktivitäten, die für die individuelle Lebensweise und persönlichen Interessen wichtig sind, kann die Ergotherapie dazu beitragen, das Gefühl der Selbstwirksamkeit, Identität und Lebensfreude bei den Klient:innen zu stärken.

Werden Menschen daran gehindert oder ausgeschlossen an subjektiv sinnvollen, notwendigen und selbst gewählten Tätigkeiten teilzunehmen kann sich das negativ auf die Gesundheit auswirken. Es können auch Angstzustände, Depressionen und ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit entstehen.

Johann und die Gartenarbeit

Anhand eines Fallbeispiels möchte ich verdeutlichen, wie Ergotherapie Forschung und Praxis verbindet:

Johann zog nach dem Tod seiner Frau von seinem Bauernhof, auf dem er seit seiner Geburt gelebt hatte, zu seiner Tochter Linda in eine Wohnung. Nach dem Umzug begann sich Johann charakterlich zu verändern. Die Diagnose stand bald fest: Demenz vom Alzheimertyp. Nach nur wenigen Monaten verschlimmerte sich der Gesundheitszustand und Josef zog in ein Pflegeheim.

Es wurde mehrmals versucht Johann zu einer Aktivität zu motivieren, doch er reagierte aggressiv und abweisend. Keine angebotene Aktivität entsprach Johanns gewohnten Handlungsrollen, seiner Handlungsbiografie oder war für ihn sinnvoll.

In der Ergotherapie erzählte Johann mit leuchtenden Augen von landwirtschaftlichen Arbeiten rund um den Hof. Aus diesem Gespräch konnten sinnstiftende Handlungen, die mit seinen Fertigkeiten übereinstimmen, abgeleitet und Handlungspläne erstellt werden.

Im Institutionsalltag sind folgende sinnstiftende Handlungen für Johann möglich: Gartenarbeit und Spaziergänge im Freien. Er trägt seitdem Gießkannen meterweit um Pflanzen zu wässern, er hilft anderen Bewohner:innen beim Bepflanzen von Blumenbeeten. Beim Spaziergang im nahegelegenen Wald erklärt er der Gruppe die unterschiedlichen Baumarten. Wenn er im Freien ist, genießt er seitdem das Beisammensein mit den anderen.

Linda hilft ihren Vater manchmal bei der Gartenarbeit, oder fährt mit ihm in den Wald zum Spazieren. Durch das gemeinsame Tun hat sie wieder einen Zugang zu ihrem Vater gefunden. Sie hat das Gefühl, ihren Vater, wie sie ihn früher erlebt hat, für einige Momente wieder zurückzubekommen.

Das Pflegepersonal berichtet, dass Johann nicht mehr so unruhig und aggressiv ist. Das erleichtert den Umgang und die pflegerischen Tätigkeiten. Er irrt weniger in den Gängen herum und auch sein Essverhalten hat sich positiv entwickelt: nach der körperlichen Anstrengung fragt er das Pflegepersonal regelmäßig nach einer "Jause", denn die hat es früher auch immer gegeben, wenn er vom Feld heimgekommen ist.

Forschungsgeleitete Lehre

Um Forschung und praktisches Arbeiten bereits im Studium zu verbinden, werden Ergotherapie-Studierende aktiv in Forschungsprojekte eingebunden. Dabei organisieren sie zum Beispiel Spielenachmittage mit Kindergartenkindern oder auch Seniorencafés und führen gesundheitsförderliche Workshops in Gemeinden durch. Diese praxisorientierten Projekte ermöglichen den Studierenden wertvolle Erfahrungen, bereiten auf das Berufsleben vor und fördern gleichzeitig den Austausch zwischen Hochschule und Gemeinschaft.