Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1
(c) FH JOANNEUM / Marion Luttenberger

Wöchentlicher Börsenbrief #10

Dr. Josef Obergantschnig,

Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Rising Star und der anvisierte Stoß vom Thron

Der Wonnemonat Mai ist bereits Geschichte. Geschichte hat diese Woche auch Nvidia geschrieben und sich seinen Eintrag in den Geschichtsbüchern gesichert. Das Unternehmen ist in den erlauchten Kreis von lediglich sechs Unternehmen eingetreten, die an der Börse mit mehr als einer Billion US-Dollar bewertet werden. Und das als erster Chip-Hersteller überhaupt. Die anderen Protagonisten sind alte Bekannte: Neben dem saudischen Ölförderer Saudi Aramco spielen auch die US-Konzerne Amazon, Apple, Microsoft und Alphabet (Google) in dieser Super-Liga mit. Nvidia profitiert von dem KI-Boom. Generative KI wie z.B. ChatGPT benötigen viel Rechenpower, für den sich Grafikchips und besonders jene von Nvidia gut eignen. KI-Entwickler:innen und Börsianer:innen haben eines gemeinsam. Die einen reißen sich um die Chips, die anderen um Aktien des Unternehmens. Seit Jahresbeginn hat der Kurs um mehr als 180% zugelegt. Im letzten Geschäftsjahr erwirtschaftete Nvidia einen Umsatz von knapp $27 Milliarden und einen Jahresüberschuss von $9,75 Milliarden. Auch wenn KI das Trendthema der Stunde ist, ist hier bereits viel Phantasie und Wachstum in den Kursen eingepreist. Auch wenn der Umsatz für das laufende Quartal um rund 50% über den Erwartungen gelegen ist, wird von Nvidia jetzt erwartet, auch langfristig zu liefern.

Wer steht denn eigentlich hinter Nvidia? Einer der größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chipsätzen für PCs, Server und Spielkonsolen wurde im April 1993 gegründet, beschäftigt 22.500 Mitarbeiter:innen und hat den Firmensitz in Santa Clara in Kalifornien. Der Konzern nimmt gegenwärtig eine dominierende Rolle am Weltmarkt ein und vereinnahmt laut Schätzungen von J. P. Morgan bis zu 60% des weltweiten Umsatzes mit KI durch Hardwareprodukte. Der CEO des Unternehmens ist mehr als 30 Jahre nach der Gründung immer noch Jen-Hsuan Huang, der aktuell noch 3,5% der Nvidia-Aktien besitzt und damit hinter den Asset-Managern Vanguard (8,28%), Fidelity (5,38%), BlackRock (4,64%) und State Street (3,71%) der fünftgrößte Einzelaktionär des Unternehmens ist. Huang ist damit laut dem Bloomberg Billionärs Index mit einem geschätzten Vermögen von $36 Milliarden auf dem 34. Platz gelistet. Mehr als $22 Milliarden und damit auch mehr als 60% seines aktuellen Vermögens hat er seit Jahresbeginn aufgebaut. Wen wunderts, dass der liebe Jen-Hsuan, der von vielen auch Jensen genannt wird, der Rising-Star unter den Tech-Unternehmern ist. Bis zum Branchenprimus der Technologiebranche Elon Musk, aktuell mit einem Vermögen von $190 Milliarden die Nummer zwei der Welt, fehlt aber doch noch ein bisschen. Aktuell führt das Ranking noch Bernard Arnauld vom Luxusgüterhersteller Louis Vuitton mit $192 Milliarden an. Es würde mich aber nicht wundern, wenn der heranstürmende Elon den lieben Bernard schon bald wieder vom Thron stoßt.

Kommen wir noch zu Deutschland, dem größten Wirtschaftsraum der Europäischen Union. Der Konjunkturmotor stottert gehörig. Die Wirtschaft ist in eine Rezession abgeglitten. Das bedeutet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zum zweiten Mal in Folge geschrumpft ist. In der deutschen Industrie sind im März die Auftragseingänge um mehr als 10% gegenüber dem Vormonat geschrumpft. Das ist der stärkste Rückgang seit April 2020. Der Ausblick bleibt zumindest für 2023 noch verhalten. Beim ZEW-Finanzmarktreport werden rund 350 Finanzexperten aus Banken, Versicherungen und großer Industrieunternehmen nach ihrer Einschätzung befragt. Im Vergleich zum April-Report hat sich im Mai die Konjunktureinschätzung deutlich eingetrübt. Für Deutschland und den Euroraum gehen rund ein Drittel der Experten davon aus, dass sich die Lage verschlechtern wird. Im Vergleich dazu wird die Situation für die USA mit -43,8% noch negativer eingestuft. Positiver Ausreißer ist China. Hier gehen nur 10% der Befragten von einer Verschlechterung aus. Wenn dieses Szenario eintritt, ist mit einer Entspannung auf der Inflationsfront zu rechnen. Mehr als 80% der Finanzexperten gehen von einem Rückgang der Inflationsrate aus. Das wird aber laut ihrer Einschätzung nicht ausreichen, um den Zinsanhebungszyklus der Notenbanken abzubrechen. Knapp 80% prognostizieren einen weiteren Anstieg der kurzfristigen Zinsen in Europa. Mal schauen, ob das auch wirklich eintrifft. Wie heißt es so schön: Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.