Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1
(c) FH JOANNEUM / Marion Luttenberger

Wöchentlicher Börsenbrief #11

Dr. Josef Obergantschnig,

Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Gezwitscher, Performance und der Kampf um den Thron

Heute höre ich Vögel zwitschern, während ich frühmorgens meinen Espresso auf unserer Terrasse trinke. Unweigerlich muss ich schmunzeln, da mich dieses aufgeregte Gezwitscher an das aufgeregte Geschwätz an der Börse erinnert. Zu Beginn meines Berufslebens wurde definitiv noch vermehrt direkt kommuniziert. Mittlerweile hat sich das Gezwitscher auf das Internet und die Sozialen Medien verlagert. Die Social Media Plattform Twitter hat das sogar in der Namensgebung verankert. Twitter bedeutet übersetzt Gezwitscher und die einzelnen Nachrichten der Anwender:innen werden Tweets genannt, was wiederum zwitschern bedeutet.

Aber kommen wir zu dem Gezwitscher an den Kapitalmärkten. Gegenwärtig dreht sich alles um das Thema Künstliche Intelligenz (KI). Die Wertentwicklung der Aktienmärkte kann sich heuer durchaus sehen lassen. Die Gesamtperformance wird von wenigen Technologieaktien angetrieben, wohingegen der breite Markt deutlich zurückbleibt. Dieser Trend begleitet uns schon seit gut 15 Jahren. Wenn man sich das Verhältnis des breiten Marktes in Relation zu den großen Technologieunternehmen ansieht, befinden wir uns auf dem tiefsten Niveau seit Anfang 2000. Und damals waren wir bekanntlich in der Blütephase der Dotcom-Blase. Im Nasdaq 100 sind die 100 größten gelisteten Technologieunternehmen enthalten. Und dieser Tech-Index wird von lediglich acht Unternehmen dominiert, die gemeinsam 57% vom Nasdaq 100 repräsentieren. Zu den Indexschwergewichten gehören klingende Namen wie Apple, Alphabet (Google), Amazon, Microsoft, Tesla, Nvidia, Meta (Facebook) und Broadcom.

Die Euphorie und das Gezwitscher der Finanzmarktakteur:innen lassen bei mir Erinnerungen an die Dotcom-Euphorie wach werden. Wir befinden uns definitiv in einem gigantischen technologisch getriebenen Transformationsprozess und KI ist mit Sicherheit das Trendthema der Stunde. In den aktuellen Kursen ist bereits viel „ Phantasie" eingepreist. Ob diese Euphorie auch wirklich eintreffen wird, werden wir vermutlich erst in ein paar Jahren beantworten können.

Was tut sich sonst an den Kapitalmärkten. Das Feld führen heuer Aktien aus den USA, Europa und Japan an, die deutliche Zugewinne erwirtschaften konnten. Auf der Minusseite befinden sich im Gegensatz dazu chinesische Aktien, die aufgrund des schwächeren Wachstums und dem andauernden Konflikt mit den USA unter Druck geraten sind. Nach den guten Jahren 2021 und 2022 haben heuer Rohstoffe wieder Federn lassen müssen. Wenn man sich die Wertentwicklung auf zehn Jahre ansieht, gibt es einen klaren Gewinner. Während man mit US-Aktien durchschnittlich 11,9% verdient hat, erwirtschaften europäische und japanische Aktien mit 5,3% nicht einmal halb so viel. Das hängt vor allem mit der Branchenstruktur zusammen. Während Europa beispielsweise für Industrie und Tradition steht, steht die USA für Technologie und Innovation. Interessant ist auch, dass Investoren die letzten zehn Jahre mit chinesischen Aktien lediglich einen Ertrag von durchschnittlich bescheidenen 2,1% pro Jahr erzielen konnten. Der BIP-Wachstumskaiser der letzten Jahrzehnte bleibt auf den Aktienmärkten deutlich zurück. Das ist wieder einmal ein Indiz dafür, dass man nicht zwingend in chinesische Unternehmen investieren muss, um von einer florierenden lokalen Wirtschaft profitieren zu können. In einer globalisierten Welt erwirtschaften viele Unternehmen einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Erträge in aufstrebenden Ländern wie China.

Wie sieht es mit anderen Veranlagungsklassen aus? Mit einem klassischen Staatsanleihenportfolio hat man in den letzten zehn Jahre nichts verdient. Im Gegenteil, man musste sogar ein leichtes Minus hinnehmen. Im Anleihenbereich haben Unternehmensanleihen mit einer schlechteren Bonität langfristig das beste Ergebnis erzielen können.

Abschließend kommen wir noch zu den reichsten Menschen der Welt. Elon Musk hat es geschafft. Er hat sich den Platz an der Sonne als reichster Mensch des Planeten zurückerobert und den bisherigen Leader Bernard Arnauld unbarmherzig von seinem Thron gestoßen. Irgendwie passt das gut zum Zeitgeist: Technologie schlägt Luxusgüter!