Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1
(c) FH JOANNEUM / Marion Luttenberger

Wöchentlicher Börsenbrief #32

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Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Was wir von einer Legende lernen können und eine unerwartete Rallye

Heute Morgen bin ich irgendwie traurig und mein Espresso mag mir auch nicht so richtig schmecken. Beim Durchscrollen der Nachrichten habe ich vom Tod Charlie Mungers, der im Jänner seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, erfahren. Charlie hat sich wie sein Freund und jahrzehntelanger Geschäftspartner Warren Buffett, mit dem er gemeinsam Berkshire Hathaway zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt aufgebaut hat, längst einen Legendenstatus erarbeitet.

Warum war Charlie Munger so außergewöhnlich? Charlie hatte schon immer ein ausgeprägtes Interesse an den Kapitalmärkten. Munger zeichnete sich seit Jahrzehnten durch eine schier nie enden wollenden Wissensdurst aus. Als Investor zeichnete ihn aus, dass er im Zuge der Entscheidungsfindung unterschiedliche Gebiete, wie z.B. Psychologie, Mathematik, Wirtschaft oder auch Physik, miteinander verbindet, um damit jedes Investment von unterschiedlichen Blickwinkeln aus betrachten zu können. Munger hat auch frühzeitig erkannt, dass Investoren oftmals keineswegs rational handeln, sondern sich von ihren Emotionen leiten lassen. Berühmt waren die gemeinsamen Auftritte mit seinem Freund Warren Buffet, die sich durch fundiertes Wissen, Lebensweisheiten gepaart mit einer gehörigen Portion Humor auszeichneten und Jahr für Jahr viele Menschen nach Oklahoma führten.

Was können Investor:innen von Charlie lernen? Um an der Börse erfolgreich zu sein, braucht man einen langen Atem. Als Aktionär:in ist man den Launen des manisch-depressiven „Mr. Market“ ausgesetzt. Das Pendel schwankt zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt hin und her. Erfolgreich sind diejenigen, die die Launen über einen langen Zeitraum aushalten. Charlie Munger wollte Zeit seines Lebens Tag für Tag etwas Neues lernen und ist auch in diesem Punkt ein absolutes Vorbild. Über Jahrzehnte konnte er sich ein umfassendes Wissen aufbauen und einzelne Themenbereich von unterschiedlichen Seiten aus betrachten. Es gibt aktuell weltweit laut einer Analyse von Morningstar rund 700.000 Investmentmöglichkeiten. Für Anleger:innen ist es von immenser Bedeutung, jedes Investment genau zu verstehen. Das betrifft die Bereich Risiko, Ertragspotenzial und natürlich auch die Liquidität.

Blenden wir nach Österreich. Am Mittwoch hat die Signa Holding von René Benko Insolvenz angemeldet. Laut Angaben des Konzerns konnte die erforderliche Liquidität für eine außergerichtliche Restrukturierung nicht aufgebracht werden. Begründet wird dieser Schritt mit dem in den letzten Jahren aufgrund externer Einflussfakturen extrem unter Druck geratenem stationären Einzelhandel. Darüber hinaus haben sich auch die negativen Entwicklungen im Immobilienbereich auf die Geschäftsentwicklung ausgewirkt. Die steigenden Zinsen haben damit ein prominentes Opfer gefordert.

Kommen wir noch zu den Aktienmärkten. MSCI Unternehmen erwirtschaften nahezu 50% ihrer Umsätze im Ausland. Spannend finde ich, dass chinesische Unternehmen im Gegensatz dazu 89% der Umsätze im Heimatmarkt erwirtschaften, wohingegen Unternehmen aus anderen Schwellenländern sehr exportgetrieben sind und im Schnitt 66% der Umsätze im Ausland generieren. Der Grund mag daran liegen, dass chinesische Unternehmen den Fokus auf die lokalen Märkte legen. In China wächst die Mittelschicht und damit auch die Anzahl zahlungskräftiger Konsument:innen.

Abschließend werfen wir noch einen Blick zu den Anleihenmärkten, die in den letzten Wochen die stärkste Aufwärtsbewegung seit der Lehman Pleite im Jahr 2008 erlebten. Unternehmensanleihen und Staatsanleihen sind laut Bloomberg im November um 5% angestiegen. Grund für die Anleihen-Rallye ist die Annahme, dass die amerikanische Notenbank, die EZB und andere große Notenbanken sich bereits am Ende des Zinsanhebungszyklus befinden. Nach den herben Verlusten in den letzten Jahren ist das wie Balsam auf den Wunden der betroffenen Investor:innen.