Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1
(c) FH JOANNEUM / Marion Luttenberger

Wöchentlicher Börsenbrief #33

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Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Größter Schuldenanstieg seit dem 2. Weltkrieg und die Hoffnung auf ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk

Diese Woche habe ich Premiere. Es hat mich erwischt. Ich bin krank und verzichte heute deswegen auf meinen obligatorischen Espresso. Ein Blick auf die Kurstaffel versetzt mich trotz der widrigen Umstände in ein Hochgefühl. Die Party an den Finanzmärkten scheint weiterzugehen.

Das Jahr 2023 stand im Zeichen der Inflation. In der Eurozone hat sich die Teuerungsrate bereits wieder nahe dem EZB-Ziel von 2% angenähert. Im November liegt die Inflation für die Eurozone bei 2,4%. Haupttreiber dafür sind vor allem die im Vergleich zum Vorjahr gesunkenen Energiepreise. In Österreich liegt sie aktuell bei 5,4% und damit deutlich darüber. Einer der Gründe dafür ist, dass in Österreich die Gewichtung des Dienstleistungssektors überdurchschnittlich hoch ist. Und genau dieser Sektor ist sehr personalintensiv und daher von hohen Lohnabschlüssen betroffen. Die Finanzmärkte erwarten für 2024, dass die Inflationsraten weiter sinken werden. Sollte diese Erwartung auch wirklich eintreffen, sind wir auch am Ende des Zinsanhebungszyklus der Notenbanken angekommen.

2023 war bisher ein sehr gutes Aktienjahr. Die Investor:innen scheinen in den letzten Handelswochen in Feierlaune zu sein. Technologie-Aktien liegen nach wie vor voll im Trend. Spannend finde ich auch, dass Aktien von Schwellenländern dem Gesamtmarkt deutlich hinterherhinken. Auffallend ist, dass anscheinend bereits einige Investor:innen Kasse machen und ihre Tücher ins Trockene bringen. In den letzten Wochen wurde Geld aus den Aktienmärkten abgezogen und am Geldmarkt geparkt. Der Risikoappetit scheint auch im Anleihenbereich zuzunehmen. Die Risikoaufschläge für schlechtere Schuldner sind 2023 deutlich zurückgegangen.

Kommen wir noch zur Staatsverschuldung, die aktuell ein Niveau von $97 Billionen erreicht hat. Im Vergleich zu 2019 sind die Staatsschulden um 40% angestiegen. Der weltweit größte Schuldner ist die USA mit aktuell $33 Billionen. Das ist unglaublich viel und entspricht rund einem Drittel aller Staatsschulden. Dahinter folgt China mit $15 bzw. Japan mit $11 Billionen. In Summe zeichnen sich lediglich diese drei Länder für 60% der gesamten Staatsschulden verantwortlich. Japan ist darüber hinaus auch jenes Land, welches mit 255% Staatsschulden in Relation zum Bruttoinlandsprodukt die mit Abstand höchste Schuldenquote aufweist. Zum Vergleich dazu liegt die Schuldenquote der USA bei 123% bzw. jene von Deutschland bei 65%. Vom Zinsanstieg am stärksten betroffen ist gegenwärtig Ägypten. Das Land am Nil und das Land der Pharaonen ist vom Zinsanstieg besonders stark betroffen und muss bereits 40% der Einnahmen für Zinsen ausgeben.

Die Finanzmärkte laufen häufig der wirtschaftlichen Entwicklung ein paar Monate voraus. Die Lage – allen voran in Europa – schaut nicht so rosig aus. In den USA wurde die angekündigte Rezession zwar „abgesagt“, aber von Hochkonjunktur kann auch hier keine Rede sein. Im November hat die Privatwirtschaft in den USA weniger Stellen geschaffen als erwartet. Alles deutet darauf hin, dass die größte Volkswirtschaft der Welt 2024 ein moderates Einstellungs- und Lohnwachstum aufweisen wird. Und das wiederum wird Fed-Präsidenten Jerome Powell brennend interessieren. Die kommende Woche steht noch einmal im Zeichen der Notenbanken. Die großen drei – also die Fed, die EZB und die Bank of England – tagen zum letzten Mal in diesem Jahr und beraten sich über den geldpolitischen Kurs. Ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk würde ich mir aber nicht erwarten. Da würde ich schon eher auf den Aktienmarkt setzen.