Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1
(c) FH JOANNEUM / Marion Luttenberger

Wöchentlicher Börsenbrief #34

Josef Obergantschnig,

Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Die Prämie für die Unsicherheit und schwarze Schwäne

Obwohl dieser Tage der Regen den Schneefall abgelöst hat, ist es bitterkalt. Ähnlich dürfte es wohl der/dem einen oder anderen Kreditnehmer:in gehen. Die Rahmenbedingungen haben sich für all jene verschärft, deren Kredite variabel verzinst sind. So wie mir mein morgendlicher Espresso neue Energie einhaucht, versucht dieser Tage auch die Politik den leidgeprüften Kreditnehmer:innen ein Präsent unter den Christbaum zu legen. Die Grünen haben den Vorschlag unterbreitet, dass alle variabel verzinsten Wohnkredite rückwirkend in einen Fixzinskredit umgewandelt werden sollen.

Konkret soll allen Kreditnehmer:innen, die ab dem 21. März 2016 einen Immobilienkredit abgeschlossen haben, ein verpflichtendes Umwandlungsangebot auf den Tisch gelegt werden. Da werden die 500.000 betroffenen Haushalte in Österreich vermutlich einmal aufatmen. Aber durch ist die Sache noch lange nicht. Die Fronten sind verhärtet, schließlich beabsichtigt die Politik einen willkürlichen Eingriff in laufende Verträge. All jene, die sich für einen variablen Kredit entschieden haben, sind ein bewusstes Risiko eingegangen. Die im Vergleich zu einem Fixzins-Kredit niedrigeren Zinszahlungen werden mit der Unsicherheit bezahlt, dass die Zinsen und damit auch die monatlichen Belastungen steigen können. Das ist jahrelang gut gegangen.

Um das zu verdeutlichen, machen wir ein Gedankenexperiment. Im Jänner 2022 betrug der Zinssatz für variable Verzinsung 0,90% bzw. jener für eine Fixzins-Variante 1,35%. Bei einer offenen Kreditsumme von €100.000 macht das eine jährliche Zinszahlung von €900 bzw. €1.350. Die Zinsersparnis für einen variablen Kredit betrug demnach €450 pro Jahr oder €37,50 pro Monat. Und dies ist die „Prämie“ für die Unsicherheit. Ende Oktober 2023 ist der variable Zinssatz auf 4,59% gestiegen. Das bedeutet, dass bei einer Kreditsumme von €100.000 die Zinsbelastung auf €4.590 gestiegen ist. Das ist eine Mehrbelastung von €3.690 pro Jahr oder etwas mehr als €300 pro Monat. Unterstellen wir einmal, dass der Immobilienkredit erst vor kurzem aufgenommen wurde, ist die ausstehende Kreditsumme natürlich viel höher. Bei €400.000 beträgt die jährliche Zinsbelastung €18.360 pro Jahr oder €1.530 pro Monat. Anfang 2022 mussten nur €3.600 pro Jahr oder €300 pro Monat an Zinsen bezahlt werden. Die monatliche Belastung ist damit für einen „400.000 Euro Kreditnehmer“ um €1.230 pro Monat angestiegen.

Die Situation für die Betroffenen ist mit Sicherheit hart. Und es ist auch klar, dass die Entwicklungen der letzten eineinhalb Jahre niemand antizipieren konnte. Im Veranlagungsbereich ist es klar, dass ein höheres Ertragspotenzial mit Unsicherheit bezahlt werden muss. Und der gleiche Grundsatz gilt für den Finanzierungsbereich. Vor schwarzen Schwänen – also extrem unerwartete und für den Einzelnen „unangenehme“ Ereignisse – ist weder der Investor noch der Kreditnehmer:innen gefeit.

Diese Woche waren die Notenbanker das letzte Mal 2023 aktiv. Sowohl Christine Lagarde, Präsidentin der europäischen Zentralbank, als auch Fed-Präsident Jerome Powell haben die Leitzinsen unverändert gelassen. Diese Woche ist auch der ZEW-Finanzmarkttest publiziert worden. Im Rahmen einer monatlichen Umfrage wird die Einschätzung von Finanzmarktexpert:innen zu unterschiedlichen Themen abgefragt. Rund zwei Drittel der Expert:innen gehen davon aus, dass die Inflationsrate in den nächsten Monaten sinken wird. Im Vergleich dazu rechnen nur 7,6% mit einer höheren Teuerungsrate. Wenn sich die Lage an der Inflationsfront entspannt, nimmt auch der Druck auf die Notenbanken ab. So gehen nur 2,6% der Befragten davon aus, dass die kurzfristigen Zinsen steigen werden. Nahezu die Hälfte der Befragten gehen sogar von sinkenden Zinsen aus. Sollte das eintreten, wird die Zinsbelastung für variable Kredite wieder abnehmen. Spannend finde ich auch, dass die Lage für den Aktienmarkt trotz der aktuell schwachen Konjunktur sehr positiv eingeschätzt wird. Mehr als 40% der Befragten gehen von steigenden Kursen aus, wohingegen knapp über 20% mit Kursrückgängen rechnen. Die Lage auf der Konjunkturfront dürfte sich auch deutlich verbessern. Mehr als 85% der Befragten gehen von einer Verbesserung oder einer gleichbleibenden Entwicklung aus.

An den Kapitalmärkten kehrt schön langsam die Weihnachtsruhe ein. Das Jahr 2023 scheint gelaufen. Jetzt heißt es durchschnaufen. Ab 1. Jänner werden die Uhren schließlich wieder auf Null gestellt.