Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1
(c) FH JOANNEUM / Marion Luttenberger

Wöchentlicher Börsenbrief #36

Josef Obergantschnig,

Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Die Raoring 2002er und ein verhaltener Start

Nach ein paar entspannten Skitagen mit meinen Kindern nimmt das Jahr für mich Fahrt auf. Als ich heute Morgen meinen Espresso trinke, muss ich schmunzeln. Die Uhren wurden wieder zurückgestellt. Die Year-to-Date-Performance (YTD) – also die Wertentwicklung seit Jahresbeginn – sah vor wenigen Tagen noch wunderbar aus. 2024 sind die Weltbörsen so irgendwie ins Jahr gestolpert. Schon am ersten Handelstag verloren der Nasdaq-100-Index 1,7% und verzeichnete damit den schlechtesten Jahresauftakt seit 2001. Die Anleihenmärkte erklärten sich solidarisch. Steigende Renditen führten zu Kursverlusten und damit ging es im Tandem nach unten. Nach dem sehr starken 4. Quartal kam es zu Gewinnmitnahmen. Das Jahr ist noch jung und die jüngsten Entwicklungen sind definitiv keine Katastrophe. Spannend finde ich aber, dass das Stimmungsbild der Börsianer doch stark von der YTD-Performance abhängt und sich damit in den ersten Tagen des Jahres doch etwas die Unsicherheit breit macht. Diese Woche waren noch viele Börsianer auf Urlaub. Ich bin schon gespannt, wie es ihnen geht, wenn sie ab kommender Woche wieder auf das glitschige Börsenparkett zurückkehren. Ob sie beim Blick auf die YTD-Zahlen nervös werden?

In den „Roaring“ 2002ern haben wir bereits viele turbulenten Tage erlebt. Die Dekade ist noch jung, aber brüllend war sie allemal. Wir haben 2020 den Corona-Shutdown erlebt, 2021 mit der zweiten Corona-Welle zu leben gelernt. 2022 erlebten wir den russischen Einmarsch in die Ukraine, in beängstigende Höhen steigende Inflationszahlen, einen Crash am Anleihenmarkt und die Angst vor der größten Depression aller Zeiten. 2023 erlebten wir darüber hinaus den Beginn des Israel-Gaza-Krieges, als palästinensische Kämpfer einer Terrororganisation Israel angriffen und eine Sperranlage zum Gazastreifen durchbrachen. Im Herbst mehrten sich auch die Kritiker der Notenbanken, die durch einen historisch sowohl vom Ausmaß als auch von der Geschwindigkeit einzigartigen Zinserhebungszyklus eingeleitet haben, um der davongaloppierenden Inflation Herr zu werden. Rückblickend betrachtet ein sehr komplexer und gefährlicher Mix, meinen Sie nicht auch?

Investoren können trotz dieser Rahmenbedingungen auf außergewöhnlich erfolgreiche 2020er Jahre zurückblicken. In dieser Dekade stieg der globale MSCI World Index um mehr als 40%, der S&P 500 um nahezu 50% und die Technologiebörse Nasdaq-100 um nahezu 100%. Auch für europäische Indizes waren es erfreuliche Jahre, auch wenn die Performance des DAX mit rund 25% bzw. des ATX mit 20% im internationalen Vergleich doch etwas hinterherhinkt. Beim Durchscrollen des Newsflow bleibe ich an einer Nachricht hängen: „We have nothing to fear but fear itself.“ Irgendwie ein passendes Investoren-Mantra der letzten Jahre, die anscheinend mit allen Rückschlägen gut umgehen können und nichts als die Angst selbst zu fürchten haben. Stellt sich noch die Frage, ob die Angst 2024 zurückgekehrt ist? Die Börse ist emotional und auch wenn ich persönlich es nicht glaube, ist diese Frage gegenwärtig noch nicht seriös beantwortbar.

Wichtig ist aber auch festzuhalten, dass sich die Rahmenbedingungen seit den letzten Dezembertagen nicht wirklich verändert haben. Auf der Inflationsfront sollte sich die Lage weiter entspannen, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind zwar etwas schwächer, allerdings scheinen wir den Tiefpunkt bereits überschritten zu haben. Im Laufe des Jahres dürfte sowohl die amerikanische Fed als auch die EZB die Zinsen wieder senken und damit versuchen, die Wirtschaft zu unterstützen. Sollte das eintreten, dürften auch viele Kreditnehmer hörbar aufatmen, da dadurch auch für sie die monatlichen Ratenzahlungen wieder etwas billiger werden. Die Bewertung der Aktienmärkte ist im historischen Kontext definitiv nicht billig, liegt aber dennoch nur knapp über den historischen Durchschnittswerten. Das ist für mich ein Beleg dafür, dass die Kursanstiege der Vergangenheit auch fundamental durch steigende Unternehmensgewinne unterstützt wurden. Zinsseitig gibt es wieder Anlass zur Freude für Investoren, da es wieder attraktive Renditen gibt.

Aus meiner Sicht gibt es (noch) keinen Grund, pessimistisch zu sein. Bei der Aufstellung des eigenen Portfolios spielt die Vergangenheit keine Rolle. Es ist entscheidend, aktuelle Chancen und Risiken zu bewerten und darauf basierende Entscheidungen zu treffen. Meiner Erfahrung nach ist es sinnvoll, eine langfristige Strategie zu verfolgen und kurzfristige Marktschwankungen zu ignorieren. Ich wünsche uns allen ein erfolgreiches Börsenjahr 2024.