Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1
(c) FH JOANNEUM / Marion Luttenberger

Wöchentlicher Börsenbrief #38

Josef Obergantschnig,

Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Fehlinformationen, Rekord-Boni und der Sparstift

Manche Dinge ändern sich nie. Genauso wie mein liebgewonnener morgendlicher Espresso, freue ich mich im Jänner Jahr für Jahr auf den neuen Risk Report des World Economic Forums. Das ist sozusagen der "Wake-Up-Call" für die globale Wirtschaft. Als Investor:in ist es wichtig, sich auch mit den Risiken auseinanderzusetzen. Für mich ist das eine Pflichtlektüre, aus der ich viel über die großen Themen, Herausforderungen und Risiken unserer Zeit lernen kann. Besonders spannend finde ich, dass Expert:innen aus unterschiedlichen Spezialgebieten - vom Volkswirt über den Physiker, Unternehmer, Geostrategen, Finanzexperten, Soziologen bis hin zum Klimaforscher - Trendthemen beurteilen und dann zu einem großen Gesamtbild zusammenfügen. Und genau dieser Risk Report wird beim Treffen in Davos dieser Tage in Anwesenheit des „Who’s Who“ der globalen Wirtschaft und Politik vorgestellt. Angeführt wird die Risikolandkarte von Extremwetter-Ereignissen. Von wirtschaftlicher Seite werden die Inflation und ein wirtschaftlicher Abschwung oder gar eine Rezession als die größte Gefahrenquelle definiert. Spannend finde ich, dass AI-generierte Fehlinformationen bei kurzfristiger Betrachtungsweise als das größte Risiko ausgewiesen werden. ChatGPT lässt grüßen. Für mich ist das auch eine gute Gelegenheit, Ihnen zu versichern, dass dieser Text von mir persönlich verfasst wurde. Aber das würde Ihnen die KI vermutlich auch versichern.

Kommen wir zu den Finanzmärkten. Auch wenn wir 2024 einen holprigen Jahresstart erlebt haben, hat die Nasdaq-100 ein neues Rekordhoch erreicht. Die jüngsten Kursverluste haben wohl den einen oder anderen Schnäppchenjäger auf den Plan gerufen. Technologieunternehmen liegen nach wie vor im Trend, aber auch der Finanzsektor nimmt weltweit eine dominante Rolle ein. Die Stimmungslage bei den Big-Playern könnte wohl unterschiedlicher nicht sein. Die Citigroup, immerhin auf Rang 18 der größten Banken der Welt, kämpft mit einem großen Ertragsproblem. Jane Fraser, Vorstandsvorsitzende des in New York ansässigen Finanzgiganten, kündigte an, 20.000 Stellen abbauen zu wollen. Es wird der Sparstift angesetzt. Das ist irgendwie verständlich, da das Unternehmen im 4. Quartal einen Verlust von 1,8 Milliarden US-Dollar verzeichnete. Langfristig will man 2,5 Milliarden US-Dollar einsparen. Dies stellt das schlechteste Quartalsergebnis seit 15 Jahren dar. Damals befanden wir uns mitten in der Finanzkrise und hatten mit den Nachwehen der Lehman-Pleite zu kämpfen. Aktuell wird die Citigroup an der Börse mit 97 Milliarden US-Dollar bewertet, was sie auf Rang 148 der wertvollsten Unternehmen der Welt platziert. Diese Entwicklung wird die Aktionär:innen jedoch wenig erfreuen, da die Marktkapitalisierung vor 20 Jahren noch knapp über 250 Milliarden US-Dollar lag. Das bedeutet, dass die Aktionär:innen in den letzten 20 Jahren etwas mehr als 150 Milliarden US-Dollar an Wert verloren haben.

Auf der anderen Seite steht J.P. Morgan Chase, aktuell die mit Abstand wertvollste Bank der Welt. Das Unternehmen wird an der Börse mit 480 Milliarden bewertet, was annähernd doppelt so hoch ist wie die Bewertung der Nummer zwei, der Bank of America. Im Vergleich dazu weist die Erste Group eine Marktkapitalisierung von 16 Milliarden Euro auf, während die Deutsche Bank 24 Milliarden Euro und die UBS 88 Milliarden Euro aufweisen. Vor 20 Jahren betrug die Marktkapitalisierung "nur" 80 Milliarden US-Dollar. Aktionär:innen konnten in den letzten 20 Jahren einen Gewinn von rund 400 Milliarden US-Dollar verzeichnen, was immerhin einer Versechsfachung des Börsenwerts entspricht. Aktuell rangiert J.P. Morgan Chase auf Rang 14 der wertvollsten Unternehmen der Welt. Das Unternehmen hat seinen Nettogewinn im 4. Quartal noch einmal deutlich gesteigert, und im Gesamtjahr 2023 hat das Finanzinstitut 50 Milliarden US-Dollar verdient, mehr als jemals zuvor eine amerikanische Bank verdient hat. Die J.P. Morgan Banker können sich im Gegensatz zu den Citigroup-Mitarbeiter:innen wohl auf eine satte Boni-Zahlung freuen. Ich bin schon gespannt, ob wir Aktionär:innen uns Ende 2024 auch über einen ordentlichen Gewinn freuen können!