Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1
(c) FH JOANNEUM / Marion Luttenberger

Wöchentlicher Börsenbrief #42

Josef Obergantschnig,

Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Ein millionenschwerer Fehler und eine Verfünffachung

Heute Morgen reibe ich übermüdet meine Augen. Beim Blick auf die aktuelle Kurstafel stockt mir der Atem: Der S&P 500 hat die 5.000er-Grenze überschritten. Das Mahlwerk der Kaffeemaschine macht gerade einen Höllenlärm – irgendwie eine passende Fanfare als Begleitmusik. Mein Espresso war schließlich in all den Jahrzehnten ein ständiger und zuverlässiger Wegbegleiter. Als meine „Liebesbeziehung“ mit dem S&P 500 begann, hat der Index erstmals die 1.000er-Schwelle überschritten. Wir sprechen hier vom Jahr 1998. Dass sich der Index in 26 Jahren trotz aller Krisen verfünffachen würde, hätte ich nicht für möglich gehalten. Aber so kann man sich täuschen. Belohnt wurden all jene, die in all den Jahren trotz aller Rückschläge durchgehalten haben. Gut Ding braucht anscheinend auch an der Börse Weile.

An der Wall Street knallen vermutlich die Korken. In diesen Tagen herrscht Optimismus. Seit November ist der Index immerhin um mehr als 20% gestiegen. Die US-Wirtschaft zeigt sich erstaunlich robust und widerstandsfähig, die Arbeitslosenraten sind konstant niedrig und der Druck auf der Inflationsfront nimmt spürbar ab. Nur zur Erinnerung: Vor wenigen Monaten gingen viele Marktteilnehmer noch von einer tiefgreifenden Rezession aus. Wie schnell sich das Blatt wenden kann, beeindruckt mich immer wieder aufs Neue. Viele Börsianer:innen setzen nun ihre Hoffnungen auf baldige Zinssenkungen der amerikanischen Notenbank. Ich bin schon gespannt, wie lange der Leitzins noch auf dem 22-Jahres-Hoch verbleiben wird.

Die EZB scheint noch etwas vorsichtiger zu sein. Diese Woche meldete sich Präsidentin Christine Lagarde zu Wort. In ihrem Statement vor dem Europäischen Parlament in Brüssel betonte sie, dass jede Entscheidung der EZB datenabhängig sei, insbesondere hinsichtlich der weiteren Entwicklungen bei der Inflation. Lagarde mahnte auch zur Vorsicht, da eine vorschnelle Lockerung zu einem erneuten Anheizen der Inflation führen könne. Die EZB hat bisher keine eindeutigen Anzeichen dafür, dass ihr mittelfristiges Inflationsziel von zwei Prozent nachhaltig erreicht wird. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die EZB mit etwas Verzögerung der Fed folgen wird.

Als Fondsmanager waren nicht nur mein Espresso, sondern auch Excel wichtige Begleiter. Es gilt schließlich, das eigene Portfolio oder Einzeltitel zu analysieren und darauf basierend die eigene Investmentstrategie aufzubauen. Der norwegische Staatsfonds verwaltet eine Billionen-Portfolio und ist damit der größte Staatsfonds der Welt. Der Fonds zählt darüber hinaus zu den größten Anteilseignern der Wirtschaftsgiganten wie z.B. Apple, Microsoft oder auch Amazon. Doch so mächtig Excel auch sein mag, es birgt auch Gefahren. Ein Anwenderfehler führte zu einem Verlust von unglaublichen 92 Millionen US-Dollar für den Staatsfonds. Der „Miss-Trade“ resultierte aus einer fehlerhaften Benchmark-Berechnung und einer leicht erhöhten Gewichtung von US-Anleihen. Dieser Verlust ist nahezu doppelt so hoch wie die Summe aller operativen Fehler zwischen 2010 und 2020.

Positiv anzumerken ist, dass die Verantwortlichen sehr offen mit dem Fehler umgegangen sind und ihn nach dem Erkennen sofort aktiv bereinigt haben. Nachdenklich stimmen sollte jedoch, dass ein ähnlicher „Fehler“ im Jahr 2021 einen Gewinn von 55 Millionen US-Dollar einbrachte. Von einem meiner Chefs habe ich gelernt, dass es völlig irrelevant ist, ob bei einem Miss-Trade ein Gewinn oder ein Verlust erzielt wird. Wichtig ist, daraus zu lernen und einen Fehler möglichst nur einmal zu begehen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass solche Excel-Fehler im hohen Norden ab sofort der Vergangenheit angehören.