Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1
(c) FH JOANNEUM / Marion Luttenberger

Wöchentlicher Börsenbrief #43

Josef Obergantschnig,

Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Darfs ein bisserl mehr sein: Von Rising Stars und Fallen Angels

Diese Woche war ich auf dem Sustainable Investor Summit (SIS7) in Wien. Diese Tage sind inspirierend und richtungsweisend zugleich. Für mich persönlich bedeutet das auch, den einen oder anderen Espresso mehr zu trinken. Vielleicht habe ich sogar meinen persönlichen Rekordwert erreicht? Wer weiß das schon. Klar scheint aber auch, dass der Rekordlauf von Nvidia auch nach den mit Spannung erwarteten Zahlen weitergeht. Dank des KI-Booms ist der Quartalsumsatz auf 22,1 Milliarden US-Dollar angestiegen und war damit dreimal so hoch wie im Jahr davor! Investoren können sich die Hände reiben. Der Quartalsgewinn ist von 1,4 auf 12,3 Milliarden gestiegen. So etwas sieht man auch an der Börse nicht alle Tage. Die Investor:innen stehen auf der Käuferseite Schlange. Der Aktienkurs hat sich seit Dezember 2022 mehr als verfünffacht. Sehr beeindruckend.

Im Schatten von Nvidia wurde aber auch ein Uraltrekord ausgelöscht. Der japanische Nikkei 225 konnte ein neues Allzeithoch erreichen. Irgendwie unglaublich, dass der bisherige Höchstwert aus dem Jahr 1989 datiert! Das ist unglaublich lange her. Damals saß ich als Dreikäsehoch noch auf einer Schulbank und nicht in einem gepolsterten Bürosessel. Damals waren japanische Aktien voll im Trend. In einem global ausgerichteten Portfolio betrug der Japan-Anteil nahezu 40%. Zum Vergleich: Heute beträgt der Anteil japanischer Aktien „nur“ 6%. Damals war China auch noch ein Entwicklungsland, welches der eine oder andere Börsianer vermutlich nicht einmal auf der Landkarte gefunden hätte. Dadurch wird mir wieder einmal bewusst, welchen Transformationsprozess wir in den letzten drei Jahrzehnten eigentlich erlebt haben. Und als Drittes im Bunde hätten wir noch den deutschen DAX, der sich diese Woche auch über ein neues Allzeithoch freuen durfte.

Spannend finde ich, dass im Gegensatz dazu der chinesische Aktienmarkt nicht so recht vom Fleck kommt. In den letzten 5 Jahren hat der Hang Seng Index, der Leitindex der Börse von Hongkong, der die größten und liquidesten Unternehmen abbildet, nahezu 50% seines Werts verloren. Trotz dieser Herausforderungen bleibt China ein Wachstumsgigant. Das rasante Wirtschaftswachstum des Landes hat allerdings nicht automatisch zu steigenden lokalen Aktienkursen geführt. Die Frage stellt sich nun, wie man als Investor vom chinesischen Wachstum profitieren kann?

Zuerst einmal durch den Kauf von lokalen Aktien. Ein direkter Weg, aber mit Herausforderungen hinsichtlich Zugang, Rechtssicherheit und Marktverständnis. Darüber hinaus kann man sich als Investor auch einen Fonds/ETF auf den chinesischen Markt kaufen. Das ist aus meiner Sicht eine zugänglichere Option, die Diversifikation und Fachkenntnisse von Fondsmanager:innen bietet. Und zu guter Letzt können Investor:innen auch durch ein Investment in einen Global Player profitieren. Viele weltweit agierende Unternehmen sind stark in China und anderen Schwellenländern engagiert. Indem man in diese Unternehmen investiert, etwa über Aktien in den USA, UK oder Europa, profitiert man indirekt vom Wachstum in China, genießt aber gleichzeitig die Rechtssicherheit und Standards des Heimatmarktes des Unternehmens. Rund ein Viertel der Umsätze eines globalen Aktienindex wird in Schwellenländern erwirtschaftet. Für mich persönlich ist das eine spannende Alternative, da ein Investor zum einen von der Dynamik Chinas profitieren kann, ohne aber in Bezug auf die Rechtssicherheit oder andere Standards Abstriche machen zu müssen. Ob die Zeit für Emerging Markets gekommen ist, wird uns wohl erst die Zukunft weisen. Eine Beimischung in einem global orientierten Portfolio kann vermutlich aber nicht schaden.

Durch die Künstliche Intelligenz werden wir vermutlich in den nächsten Jahren einen gigantischen Transformationsprozess erleben. Ich bin schon gespannt, wie hoch einzelne Länder oder Sektoren in 10 oder 20 Jahren in einem Weltaktienportfolio gewichtet sein werden. Eines scheint aber klar: definitiv ganz anders als heute!