Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1
(c) FH JOANNEUM / Marion Luttenberger

Wöchentlicher Börsenbrief #6

Dr. Josef Obergantschnig,

Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Bankenpleite, Inflation und ein Platz in den Geschichtsbüchern!

Meine Espresso-Maschine stammt aus Italien. Die Äpfel im Obstkorb stammen aus der Steiermark. Aber als ich meinen Blick durch unsere Wohnung schweifen lasse, entdecke ich einige Gegenstände von amerikanischen Unternehmen. Dazu gehört auch der andere Apfel, der ein Mobiltelefon ziert. Die USA ist die größte Volkswirtschaft der Welt. Nahezu ein Viertel des Welt-BIPs wird von Uncle Sam gestemmt. In den USA sind auch die größten Börsen beheimatet. Und die USA hat auch mich persönlich dieser Tage in ihren Bann gezogen.

Zu Wochenbeginn haben wir die nächste Bankenpleite in den USA erlebt. Die kalifornische First Republic wurde übers Wochenende vom Staat „geschlossen“. Anleger:innen und Sparer:innen haben in den letzten Wochen mehr als 100 Milliarden Dollar abgezogen. Vertrauen ist immer noch das größte Gut. Der Branchen-Primus JPMorgan sprang in die Bresche und hat das ins Straucheln geratene Institut übernommen. Ob damit Ruhe einkehren wird, wagte nicht einmal der JPMorgan-Vorstandsvorsitzende Jamie Dimon zu prognostizieren.

Mittwoch tagte die amerikanische Notenbank. Fed-Präsident Jerome Powell hat die Leitzinsen wie erwartet erneut um 0,25% auf 5,00% bis 5,25% angehoben. Nach der zehnten Erhöhung liegen die Leitzinsen auf dem höchsten Wert seit 2007. Um die Inflation zu bändigen, hat die Notenbank aggressiv die Zinsen erhöht. Als Kollateralschaden hat diese Strategie auch zu den Turbulenzen im Bankensektor beigetragen. Die Inflation geht in den USA spürbar zurück und lag im März bei "nur" noch 5% und damit auf dem niedrigsten Wert seit Mai 2021. Die Fed hat auch den üblichen Passus zu weiteren Zinserhöhungen aus dem schriftlichen Statement gestrichen. Es hat für mich den Anschein, dass wir in den USA bereits das Ende der Fahnenstange erreicht haben.

Davon kann Österreich gegenwärtig nur träumen. Laut einer Schnellschätzung der Statistik Austria betrug die Inflationsrate im April 9,8%. WIFO-Chef Felbermayr hat bereits angekündigt, dass die März-Inflationsschätzung von 7% nach oben revidiert werden müsse. Das ist auch im europäischen Vergleich außergewöhnlich. In Österreich steigt das Preisniveau seit 20 Jahren stärker als im EU-Durchschnitt. 2003 war das Preisniveau in der Alpenrepublik 8% über dem EU-27-Schnitt, aktuell liegt es bereits 15% darüber. Damit verliert Österreich, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, an Wettbewerbsfähigkeit. In der Eurozone liegt die Inflationsrate aktuell bei 7% und damit deutlich über dem EZB-Ziel. Präsidentin Christine Lagarde hat erwartungsgemäß einen Tag nach der Fed die Leitzinsen um weitere 0,25% auf aktuell 3,75% angehoben. Solange es hier keine Entspannung gibt, würde ich im Gegensatz zur amerikanischen Notenbank mit weiteren Zinserhöhungen rechnen. In diesem Umfeld ist es wenig verwunderlich, dass das Kriseninvestment Gold ein neues Jahreshoch erreicht hat.

Kommen wir zu den Aktienmärkten. Der amerikanische S&P 500 konnte 2023 trotz aller Turbulenzen zulegen. Die Frage stellt sich aber, ob diese Performance von einigen wenigen oder von vielen Schultern getragen wird? Die Top-20 Unternehmen sind im S&P 500 mit knapp 30% gewichtet. Darunter finden sich klingende Namen, wie z.B. Amazon, Alphabet, Tesla, Meta oder auch Nvidia. Spannend finde ich, dass die Top-20 Unternehmen aber mehr als 90% der positiven Gesamtperformance auf ihren Schultern tragen. Die restlichen 480 Unternehmen oder der breite Markt hinkt im Vergleich dazu deutlich hinterher. Von einer breiten Aufwärtsbewegung würde ich daher nicht sprechen.

Und ewig grüßt das Murmeltier. In den USA warnt Finanzministerin Janet Yellen bereits davor, dass bereits Anfang Juni die Schuldenobergrenze erreicht werden könnte, sollte der Kongress sich nicht über eine Anhebung einigen können. In diesem Fall ist die USA nicht mehr in der Lage, allen Verpflichtungen nachzukommen. Die Schuldenobergrenze wurde 1917 eingeführt, um die Regierung zu ermächtigen, mit der Ausgabe von Anleihen die Ausgaben des 1. Weltkrieges zu finanzieren. Ziel war es, den Schuldenberg nicht in lichte Höhen wachsen zu lassen. Seit damals wurde die Schuldenobergrenze dutzende Male angehoben. Die aktuelle Obergrenze von $31,4 Billionen ist bereits erreicht. Um die Rechnungen begleichen zu können, müssen Reserven angezapft werden. Und diese sind bekanntlich begrenzt. Präsident Biden ist bereits umtriebig und versucht den US-Kongress zu überzeugen, rasch zu handeln und damit eine Zahlungsunfähigkeit der größten Volkswirtschaft der Welt zu vermeiden. Mich würde es nicht wundern, wenn wir in typischer Hollywood-Manier in den nächsten Wochen ein Auf und ein Ab erleben werden, bevor der Held in letzter Sekunde das Unheil abwendet.

Janet Yellen hat bereits Geschichte geschrieben. Sie war die erste Frau, die den Vorsitz der Federal Reserve im Jahr 2014 übernommen hat und darüber hinaus auch die erste Frau, die als Finanzministerin angelobt wurde. Für meinen Geschmack reicht das. Die liebe Janet muss auch nicht die erste Frau und Finanzministerin sein, in deren Regentschaft die USA zahlungsunfähig wurde.