Wöchentlicher Börsenbrief von Dr. Josef Obergantschnig 1
Foto: FH JOANNEUM

Wöchentlicher Börsenbrief #7

Dr. Josef Obergantschnig,

Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Business-Outfit und CEO Trends

Diese Woche war ich drei Tage lang in Wien. Eine Stadt der Tradition und eine Stadt, in deren Zentrum die Habsburgermonarchie mehr als ein Jahrhundert nach deren Ablauf noch immer präsent ist. Mittlerweile leben wir in extrem schnelllebigen Zeiten. Das merkt man selbst in einem jahrhundertealten Kaffeehaus, das seit mittlerweile mehreren Hundert Jahren ihren Gästen Kaffee kredenzt. Ich kann mir gut vorstellen, dass während der Kaiserzeit viele Geschäftsleute viele Stunden des Tages im Kaffeehaus verbracht haben. Heute Morgen tummeln sich Menschen im Business-Outfit an der Theke, um einen schnellen Espresso einzunehmen, während sie ihre Smartphones in Arbeit haben.

Einer der wichtigsten Informationsanbieter ist Google. Ganz egal ob es sich um eine einfache Google Suche, Google Maps oder sonst einen Dienst des Online-Giganten handelt. Seit einigen Monaten ist der Internet-Gigant ordentlich ins Schwitzen gekommen. ChatGPT ist in aller Munde und viele KI-Experten sprechen bereits davon, dass die Künstliche Intelligenz die größte Revolution seit dem Internet, wenn nicht gar der größte Entwicklungsschritt der Menschheit sei. Der Google Chef Sundar Pichai hat dieser Tage angekündigt, im Bereich der KI mit einer Vielzahl von neuen Anwenderfeldern zu kontern. Eines scheint klar. Die KI wird auch Google im Sturm erobern. Ganz egal, ob der Anwender seine Emails automatisiert von einer KI unter Berücksichtigung deren Wichtigkeit beantwortet oder bei der klassischen Google-Suche durch die KI unterstützt wird. Wenig überraschend hat Google mit PaLM 2 bereits ein Konkurrenzprodukt zu ChatGPT auf den Markt gebracht. Der Kampf der Giganten kann beginnen.

Der Google-Konzern Alphabet wird an der Börse mit mehr als $1,4 Billionen bewertet und beschäftigt knapp 190.000 Mitarbeiter:innen. Noch sprudeln die Gewinne. Bei einem Jahresumsatz von ca. $280 Milliarden erwirtschaftet der Konzern einen Gewinn von stolzen $60 Milliarden. Der Aktienkurs konnte seit Mitte März um mehr als 20% zulegen. Die Aktionär:innen scheinen davon auszugehen, dass Google den Transformationsprozess gut meistert und auch in Zukunft eine führende Rolle einnehmen wird.

Kommen wir zu einem anderen großen Thema an den Weltbörsen. In den USA ist ein Streit um eine Anhebung der Schuldenobergrenze entfacht. Wenn diese nicht angehoben wird, ist die größte Volkswirtschaft der Republik defacto zahlungsunfähig. Und diese wiederum würde laut Einschätzung der Finanzministerin Janet Yellen zu einem „steilen wirtschaftlichen Abschwung“ der USA führen. Yellen schätzt, dass bereits Anfang Juni der Tag kommen wird, an dem die USA ohne Anhebung der Schuldenobergrenze durch den Kongress nicht mehr in der Lage sein wird, ihre Rechnungen zu begleichen. Laut einer Schätzung des White House Council of Economic Advisors gehen bei einer längerfristigen Zahlungsunfähigkeit 8 Millionen Jobs verloren. Das reale BIP würde unter diesen Umständen sogar um 6,1% einbrechen. Ich persönlich hoffe und gehe eigentlich davon aus, dass die Tradition fortgesetzt wird und die Schuldenobergrenze nach dem typischen Ränkespiel der politischen Kräfte erneut angehoben wird.

Auch die Investmentlegende Warren Buffet meldete sich dieser Tage zu Wort und hat den Umgang mit den jüngsten Unruhen im Bankensektor kritisiert und davor gewarnt, dass ein Schuldendeckel einen „Aufruhr“ ins Finanzsystem bringen könne. Die Lage bleibt weiter angespannt. Darüber hinaus finde ich sehr spannend, dass der liebe Warren bekanntgab, dass Apple das beste Unternehmen im Portfolio von Berkshire Hathaway sei. Buffets Unternehmen ist hinter der Vanguard Group der zweitgrößte Investor und besitzt 5,66% der Apple Aktien mit einem Börsenwert von knapp $150 Milliarden. Das Paradeprodukt iPhone ist das umsatzstärkste Produkt der Welt und zeichnet sich für 52% der Apple-Einnahmen verantwortlich. Bei einem Gesamtumsatz von $394 Milliarden sind das immerhin $205 Milliarden. Und das ist mehr als der Gesamtumsatz von Microsoft ($198 Mrd.), J.P. Morgen ($132 Mrd.) oder auch Coca-Cola ($43 Mrd.).

Abschließend möchte ich noch einen Schwenk auf die Vorstandsebene machen. Für die Top-CEOs global tätiger Unternehmen stehen laut einer Umfrage von McKinsey drei Trendthemen im Fokus, die einen großen Einfluss auf ihr Unternehmen haben. Neben disruptiven digitalen Technologien sehen noch das Risiko der hohen Inflation und geopolitische Unsicherheiten ganz oben auf der Agenda. Ich bin schon sehr gespannt, wohin die Reise in den nächsten Jahren gehen wird. Ob Warren Buffet eines Tages eine Künstliche Intelligenz ablösen wird, wage ich dennoch zu bezweifeln!