NEW METRO – ein Interview mit Maja Pivec und Anika Kronberger 1
Maja Pivec und Anika Kronberger lehren beide am Institut Design & Kommunikation. Foto: Bettina Gjecaj

New Metro: Maja Pivec und Anika Kronberger im Interview

Bettina Gjecaj,

Das Projekt New Metro befasst sich mit der Entwicklung von qualifizierten Fachkräften in der Industrie 4.0. Maja Pivec und Anika Kronberger, beide Lehrende am Studiengang „Informationsdesign“, geben im Interview Einblick hinter die Kulissen ihrer Forschung.

Wobei geht es bei dem EU-Projekt New Metro?

Maja Pivec: Das Projekt zielt in erster Linie darauf ab, die europaweit dringend notwendige Entwicklung von qualifizierten Fachkräften in der Industrie 4.0 zu definieren und zu unterstützen. Es wurde speziell dafür eine Workforce eingerichtet, die an neuen Möglichkeiten der Vermittlung der Kompetenzlücke insbesondere im Bereich Mechantronik schließt.

Ihr verwendet in euren Ausführungen den Begriff „Blended Learning“. Was kann man sich als Laie darunter vorstellen?

Pivec: Es ist eine Zusammensetzung, eine Mischung verschiedener Vermittlungsmöglichkeiten. Das heißt, man kann Wissen 1:1 im Klassenzimmer vermitteln, man kann projektbasiert lernen, man kann mittels Technologie oder in einer Gruppe lernen. Es gibt hier wirklich flexible Möglichkeiten Lernen so zu gestalten, wie es die jeweilige Situation erfordert bzw. wie es am besten für die Lernenden ist.

Anika Kronberger: Im Endeffekt ähnelt es dem, was wir hier an der FH machen, wir haben ja auch Frontalvorträge, wir geben den Studierenden Materialien, wir haben Onlinevorlesungen – und die Mischung aus diesen Dingen, flexibel auf die Lernenden zugeschnitten. Zwischen klassischem Unterricht und Onlineunterricht kann man das Blended Learning verorten, ähnlich wie bei Cross-Reality. Du hast quasi die „echte“ Realität hier und die virtuelle Realität, wo du komplett z.B. in der Brille bist. Mixed Reality könnte man als eine Zwischenform sehen, wo nur Teile der Realität durch etwas Virtuelles ersetzt werden oder wo beide Realitäten miteinander interagieren. Man handelt also in der Realität, was im Digitalen Auswirkungen hat und umgekehrt.

„Der primäre Fokus von New Metro ist die Entwicklung einer flexiblen Weiterbildung angepasst an die Bedürfnisse der Industrie 4.0.“

Anika Kronberger

Kronberger: Das Projekt New Metro entstand aus dem Fakt, dass es einen Fachkräftmangel gibt – vor allem in einem Bereich, wo die Leute kein Studium brauchen, aber die Lehre zu wenig ist; also irgendetwas dazwischen. Leute, die bereit sind für neue Technologien, aber auch selbst am Objekt zu arbeiten – daraus ist die Nachfrage entstanden, dass man in diesem Feld Leute ausbilden muss, aber gleichzeitig den Gap zwischen Lehre in der Ausbildung und Studium schließen muss. Wo man eben gleich ins Berufsleben einsteigen kann, so etwas zwischen HTL und Bachelorstudium.

Also geht es darum, dass die Industrie Systeme finden muss, wie sie Wissen an ihre (zukünftigen) Mitarbeiter:innen weiterbringt – und das Projekt New Metro arbeitet genau an diesem Schwerpunkt gemeinsam mit Hochschulen, berufsbildenden Schulen und Firmen?

Kronberger: Genau, es wurde zu diesem Zweck inhaltlich eine zweijährige Ausbildung entwickelt und unser Part war es, Lösungen zu finden, wie dieses Wissen an die Leute herangetragen wird. Welche Technologien man einsetzt oder welche Systeme es braucht, um diese Art von Lehre zu ermöglichen, wie lange es dauert, wie es aufgebaut sein muss, wie Lerninhalte aufbereitet sei müssen, etc.

Wie kann man sich die gemeinsame Forschung mit mehreren Beteiligten an so einem Projekt vorstellen?

Pivec: Jede:r Kooperationspartner:in beteiligt sich an jedem Arbeitspaket. Das Paket entsteht gemeinsam mit Wissen aus den unterschiedlichen Lernkulturen und Arbeitswelten. Im Zeitraum von März 2020 bis April 2021 haben die Partner:innen eine Anzahl an unterschiedlichen Methoden angewandt, von Sekundärforschung, Fragebögen, Konsultation der Industrie über Interviews mit Interessenvertreter:innen bis hin zum Test mit zwei Fokusgruppen.
Die Sekundärforschung war ein guter Ausgangspunkt, um erste Einblicke in die Politik und die Strategien zu erhalten und zu erfahren, welche Art von Ausbildung und welche Best-Practice-Beispiele im Bereich der Mechatronik-Ausbildung verfügbar sind. Um tiefere Einblicke in die regionale Situation zu erhalten, wurden mehrere Telefoninterviews mit Interessenvertreter:innen zu spezifischen Unternehmenszielen im Bereich Mechatronik durchgeführt. Mit einer Online-Umfrage wurde die erste Zuordnung der verschiedenen Kompetenzen und der jeweiligen Vermittlungsmethoden vorgenommen. Alle Partner:innen trugen in mehreren Iterationen zur Entwicklung des Lernvermittlungsmodells bei.

Könntet ihr eines der Herzstücke des Projekts, das sogenannte „MOOC to VOOC“ erklären?

Kronberger: Der Begriff „MOOC“ steht für Massive open online course. Weltweit haben die großen Unis vor ca. zehn Jahren angefangen, MOOC für ihre Kurse zu verwenden. Ins Leben gerufen wurde MOOC 2008 von Downs und Siemmens als ein Lehr- bzw. Lernexperiment. Diese MOOC‘s bedeuten, dass Universitäten gewisse Kurse für die Öffentlichkeit zugängig gemacht haben und man sich bei Interesse weltweit daran beteiligen kann. Teilweise erhält man dafür ein Zertifikat, manchmal kann man einfach nur zuhören. Und „VOOC“ steht für Vocational open online course, wobei vocational für das Berufsbildende steht, also etwas sehr Angewandtes, Praktisches und direkt mit dem Berufsleben verbundenes. Also dieser Zwischenbereich, dieser berufsspezifische Online-Weiterbildungsbereich.

Und das gibt es schon oder stehen diese VOOC´s noch in den Kinderschuhen?

Pivec: Diese VOOC´s stecken tatsächlich noch in den Kinderschuhen, werden aber von der Industrie mehr und mehr als Weiterbildungsmaßnahme begrüßt. Wir konzipieren gerade einen VOOC für fachübergreifende Kompetenzen, die man in der Arbeitswelt braucht, kein fakten- oder spezifisches Wissen, sondern es geht dabei um Kompetenzen, die immer wieder fachbereichsunabhängig einsetzbar sind. Denn wenn die Auszubildenden später in einem Team arbeiten, brauchen sie auch gewisse Kommunikationsfähigkeiten, wie z.B. Bewusstsein für Deadlines, Teamfähigkeit, etc. In unserem VOOC wird diese theoretische Vorstufe angeboten, wo sich Lernende mit „Thinking outside the Box“ und benutzer:innenzentrierten Ansätzen auseinandersetzen. Außerdem werden sie aufgefordert, über die eigene gesellschaftspolitische Verantwortung und ethische Aspekte nachzudenken – ein Bereich, der gerade bei angehenden Techniker:innen in der Industrie 4.0 sehr wichtig ist.

Kronberger: Es gibt bereits eine New Metro-Lernplattform, wo einerseits die sehr technischen und angewandten Kurse bereitgestellt sind, aber auch z.B. der „Train the Trainer-Kurs“, der von uns entwickelt wurde, wo es zu Blended learning und anderen unterschiedlichen Lernmöglichkeiten Informationen gibt. Dadurch können sich nicht nur Schüler:innen und Arbeiter:innen in der New Metro-Lernplattform weiterbilden, sondern auch Lehrende.

Also gibt es eine gemeinsame Plattform, an der gearbeitet wird, wo alle Projektpartner:innen ihre Kurse einpflegen?

Kronberger: Ja, genau, und die soll auch über das Projekt hinaus Bestand haben. Momentan wird noch entwickelt, adaptiert und optimiert. Wir würden uns sehr freuen, wenn viele Leute sich einloggen und uns ein Feedback dazu geben könnten. Idealerweise werden auch die von uns entwickelten VOOC‘s getestet. Wer also Lust hat, bitte gerne melden und mit uns mitarbeiten!