Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1
(c) FH JOANNEUM / Marion Luttenberger

Wöchentlicher Börsenbrief #47

ibv@fh-joanneum.at,

Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Watschelnde Börsianer und teure Kredite

Während der Motor meiner Kaffeemaschine rattert, schweift mein Blick in die Ferne. Unweit von unserem Haus ist eine neue Baustelle errichtet worden. Seit unserem Einzug im Jahr 2016 sind die Immobilienpreise trotz der jüngsten Irritationen am Immobilienmarkt deutlich gestiegen. Aber wie belastend sind die Wohnkosten für einzelne Familien wirklich? Bereits beim ersten Espresso werde ich fündig: Die europäische Statistikbehörde berechnet für einzelne Länder eine sogenannte Wohnkostenüberlastungsrate. Diese zeigt den Anteil der Haushalte, in denen die gesamten Wohnkosten mehr als 40% des verfügbaren Einkommens ausmachen, fein untergliedert zwischen Land und Stadt. In Österreich liegt die Quote für Landbewohner:innen bei 4,2%. Bei Stadtbewohner:innen ist die Rate mit 12,6% dreimal so hoch! Teure Stadt, billiges Landleben – das gilt für alle EU-Länder, allerdings mit der Einschränkung, dass die Kluft bei der Wohnkostenbelastungsquote zwischen Land und Stadt in den meisten EU-Ländern nicht so stark auseinanderklafft. In Deutschland liegt die Quote bei 10,5% für Menschen mit einem Wohnsitz auf dem Land bzw. 13,1% für Städter.

Die 40%-Quote wird auch in der vielkritisierten KIM-Verordnung erwähnt. Zur Erinnerung: Bei Krediten wird seit August 2022 mindestens 20% Eigenmittel gefordert, die Laufzeit auf 35 Jahre maximiert, und die monatliche Kreditrate darf 40% des Haushaltsnettoeinkommens nicht übersteigen. Durch diese Verschärfung und die stark gestiegenen Zinsen haben sich Kredite in den letzten beiden Jahren massiv verteuert. Laut Statistik Austria müssen 25% der Haushalte mit einem jährlichen Nettoeinkommen von weniger als 24.958 Euro ihr Auskommen finden. Mit diesem Einkommen und den erforderlichen Eigenmitteln von rund 45.000 Euro ist eine maximale Kreditsumme von etwa 223.000 Euro möglich. In Wien-Josefstadt werden Eigentumswohnungen aktuell mit rund 7.000 Euro pro Quadratmeter gehandelt. Ein Referenzhaushalt würde sich mit dieser Summe eine Wohnung von lediglich 29 Quadratmetern leisten können! Das Mediannettoeinkommen – also 50% der Haushalte verdienen mehr und 50% weniger als diese Schwelle – liegt bei 40.309 Euro. Damit wäre eine Kreditsumme von 289.000 Euro oder eine etwa 52 Quadratmeter große Wohnung in der Josefstadt möglich. Die 25% der Topverdiener erwirtschaften ein Jahresnettoeinkommen von 60.923 Euro. Damit ließe sich eine Kreditsumme von 436.500 Euro stemmen. Gepaart mit den Eigenmitteln sind aber auch nicht mehr als 78 Quadratmeter drin. Bei diesen Zahlen ist es nicht verwunderlich, dass die Kreditnachfrage nach Einführung der Richtlinie stark zurückgegangen ist.

Diese Woche war auch die Woche der Notenbanken. Selbst EZB-Präsidentin Christine Lagarde – an und für sich eine zurückhaltende und vorsichtige Person – deutet mittlerweile an, dass die Zeichen am Horizont relativ klar auf die erste Zinssenkung hindeuten. Es verdichten sich die Anzeichen, dass es bereits im Juni so weit sein könnte. Entscheidend dafür werden sowohl der Zustand der europäischen Wirtschaft als auch die weitere Inflationsentwicklung sein. Die Teuerungsrate in der Eurozone hat sich im Februar bereits auf 2,6% abgesenkt und liegt damit nicht mehr allzu weit über der EZB-Zielrate von maximal 2%. Sollte dies eintreten, werden die Zinsen für fixe und variable Wohnbaukredite wieder sinken.

Auch beim Blick über den Atlantik dominiert die amerikanische Notenbank den Newsflow. Die US-Notenbank hat in ihrer Sitzung am Mittwoch den Leitzins erneut, wie von vielen Marktteilnehmern erwartet, stabil gehalten. Obwohl die Fantasie bezüglich einer Zinssenkung etwas nachgelassen hat, neigt sich die Erwartungshaltung der meisten Börsianer dennoch deutlich nach Süden. Trotz der nach wie vor sehr freundlichen Märkte – der deutsche DAX hat beispielsweise die 18.000-Punkte-Marke überwunden und der japanische Nikkei-225 notiert erstmals seit den 1980ern wieder über der fast magischen 40.000-Punkte-Marke – knallen keine Sektkorken. Vermutlich gab es in der gesamten Börsengeschichte noch nie ein Allzeithoch, bei dem das Gros der Börsianer:innen mit hängenden Köpfen und in depressiver Stimmung über das glitschige Börsenparkett schlich.