Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1
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Wöchentlicher Börsenbrief #53

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Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Globale Finanzmarktperspektiven: Von Apple-Aktien bis zum EZB-Zinsentscheid

Als ich in den frühen Morgenstunden meine Espresso-Maschine einschalte, scrolle ich auf meinem Mobiltelefon durch die neuesten Finanznachrichten. Es ist schon etwas Besonderes, auf einem iPhone über die jüngsten Erfolgsmeldungen von Apple zu lesen. Das Unternehmen mit dem angebissenen Apfel-Logo hat oft für Überraschungen gesorgt und die Finanzwelt ins Staunen versetzt, trotz eines Aktienkurses, der in den letzten Monaten nicht so recht in Schwung kam. Nach fünf Umsatzrückgängen in den letzten sechs Quartalen ist laut CEO Tim Cook endlich die Wende erreicht. Ein robustes Dienstleistungsgeschäft und der Erfolg neuer Laptop-Modelle, zusammen mit der Hoffnung auf revolutionäre neue KI-Funktionen in den kommenden Monaten, haben die Stimmung merklich gehoben. Apple investiert kräftig in diesen Bereich und könnte dabei auf die Technologie von OpenAI oder die KI "Gemini" von Googles Mutterkonzern Alphabet zurückgreifen. Analyst:innen gehen davon aus, dass diese Neuerungen der nächsten iPhone-Generation einen kräftigen Nachfrageschub verleihen könnten, insbesondere in China, wo Apple durch die neuen KI-Funktionen wieder verlorene Marktanteile zurückgewinnen will. Darüber hinaus hat Tim Cook angekündigt, eigene Aktien im Wert von 110 Milliarden US-Dollar zurückzukaufen und die Dividende auf 4% zu erhöhen.

Die guten Apple Ergebnisse werden wiederum auch die Börsenlegende Warren Buffet erfreuen, der mit seiner Berkshire Hathaway ganze 5,86% des Unternehmens besitzt. Damit ist er hinter den Investmentfirmen Vanguard mit 8,49% und noch vor BlackRock mit 4,40% der zweitgrößte Apple-Investor. Seine Investmentfirma konnte seit 1964 eine durchschnittliche Performance von 19,8% erzielen und damit die Wertentwicklung des Gesamtmarktes deutlich übertreffen. Die Apple-Aktien im Buffet Portfolio sind aktuell mit rund 175 Milliarden US-Dollar die mit Abstand größte Position. Dahinter kommen langfristige Beteiligungen wie die Bank of America mit 35 Milliarden US-Dollar, American Express mit 28 Milliarden US-Dollar und Coca-Cola mit 24 Milliarden US-Dollar. Wenn ich mir die Apple-Gewichtung im Vergleich zu den anderen Positionen anschaue, liegt der Schluss nahe, dass der lieben Warren sich bei Apple ziemlich sicher sein muss. Spannend finde ich auch, dass Berkshire Hathaway derzeit einiges Geld in Anleihen gebunkert hat, weil sie laut Einschätzung von Buffet derzeit günstiger bewertet sind als Aktien. Gemeinsam mit den Cash-Beständen hat Warren Buffet die Kriegskasse gut gefüllt und 18% der Vermögenswerte „sicher“ geparkt. Im Falle einer Börsenkorrektur ist er dann wieder in der Lage, das eine oder andere Unternehmen billig zu kaufen. Dieses Wochenende lädt der liebe Warren seine „Jünger“ zur Hauptversammlung von Berkshire Hathaway in seine Heimat Omaha im US-Bundesstaat Nebraska ein. Das als „Orakle von Omaha“ kann sich erfreut die Hände reiben, da er einen Rekordgewinn von 96 Milliarden US-Dollar verkünden kann. Und darüber hinaus werden die Apple-Zahlen mit Sicherheit auch kein Stimmungskiller sein.

Kommen wir abschließend noch zur Europäischen Zentralbank. Der Juni-Termin, an dem bereits viele Marktteilnehmer:innen die erste Zinssenkung erwarten, rückt näher und näher. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane rückt dieser Tage aus und plädiert dafür, sich aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Aussichten nicht bereits jetzt auf einen bestimmten Zinspfad festzulegen. Aus seiner Sicht müssen die Notenbanker:innen so viele Daten wie möglich in den Entscheidungsprozess einbeziehen und sich von einer Zinssitzung zur nächsten bewegen. Und gerade hier schwächelt die größte europäische Volkswirtschaft. Die OECD hat diese Woche die Wachstumsprognose für Deutschland erneut nach unten revidiert und geht für 2024 nur mehr von einem Plus von 0,2% aus. Im Gegensatz zu Europa scheint der Konjunkturmotor aber in vielen anderen Ländern bereits wieder deutlich zu brummen. Für die Weltwirtschaft sei man trotz anhaltender geopolitischer Risiken „vorsichtig optimistisch“ und hat daher die Wachstumsprognose von 2,9% auf 3,1% angehoben. Ob das der lieben Christine Lagarde gefallen wird, wage ich zu bezweifeln. Ich bleibe dabei: Eine Zinssenkung bereits im Juni würde mich keinesfalls überraschen.