V.l.n.r.: Theresa Knaflitsch, Martin Gössl, Verena Ena Friess - Foto: FH JOANNEUM, privat
V.l.n.r.: Theresa Knaflitsch, Martin Gössl, Verena Ena Friess. Foto: FH JOANNEUM, privat

Diversität an der FH JOANNEUM: Gleiche Chancen für alle

Jasmin Hebenstreit & Viktoria Stallinger,

So bunt wie die Studiengänge an der FH JOANNEUM sind, so vielfältig sind auch die Menschen an der Hochschule. In dieser Blogreihe möchten wir diese Diversität aufzeigen. Im zweiten Beitrag geht es um das Thema Studieren sowie Arbeiten mit Beeinträchtigung an der FH JOANNEUM.

Beeinträchtigungen sind divers, individuell und äußern sich nicht immer nur körperlich – auch psychische und chronische Erkrankungen können in diesen Bereich fallen. In diesem Blogbeitrag geben Ihnen eine Peer-Beraterin, ein Lehrgangsleiter sowie zwei Studierende mit Beeinträchtigung einen genaueren Einblick in diese Thematik. Sie klären dabei auch über Missverständnisse auf.

Martin Gössl leitet den Lehrgang „Akademische Peer-Beraterin / Akademischer Peer-Berater“.
Foto: FH JOANNEUM
Martin Gössl leitet den Lehrgang „Akademische Peer-Beraterin / Akademischer Peer-Berater“.

Martin Gössl – Lehrgangsleiter, der Diversität lebt

Martin Gössl ist Leiter des Entwicklungsteams und des Lehrgangs „Akademische Peer-Beraterin / Akademischer Peer-Berater“, welchen es seit 2018 gibt. Eine Akademische Peer-Beraterin oder ein Akademischer Peer-Berater ist eine Person, die „Beratung auf Augenhöhe mit demselben Erfahrungshorizont“ anbieten kann. Martin Gössl selbst hat diesen akademischen Lehrgang nicht absolviert, jedoch ist er sehr vernetzt im Bereich Menschen mit Beeinträchtigung.

Ein bereicherndes Erlebnis in seiner Arbeit ereignete sich vor zehn Jahren. Martin Gössl war damals Begleitperson für zehn Studierende, die ein Austauschprogramm in den USA absolvierten. In Washington führte er eine blinde Studentin durch die Stadt und erklärte ihr diese in allen Farben und Formen. Die Studentin wies ihn schließlich darauf hin, dass sie geburtsblind sei und ihr die Farbbeschreibungen nichts sagen, woraufhin die beiden mehr mit dem Tastsinn gearbeitet haben. „Darum geht es auch in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung: ihre Art der Wahrnehmung zu erkennen und diese verstehen lernen.“

Auch Höflichkeit und keine Berührungsängste zu haben, sind im Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigung sehr wichtig. „Höflichkeit bedeutet, nicht zu bevormunden“, erklärt Martin Gössl „und zusätzlich keine Berührungsängste zu haben. Wenn ich nicht weiß, wie ich mit jemanden umgehen soll, fragen.“

Für die Zukunft wünscht sich Martin Gössl mehr „Zwischenformate“, die sich außerhalb des Rahmens bewegen. Grund dafür ist, dass wir in einer globalisierten Diversitätsgesellschaft leben. In dieser werden Behinderungen, Migration, Gleichstellung sowie Psychiatrieerfahrungen und vieles mehr sichtbarer. „Es braucht mehr Angebote in unterschiedlichen Formaten und den Mut zu sagen, Menschen sollen Bildung mit vielfältigen Biografien erleben dürfen; und manche werden dabei erfolgreich sein“, erklärt er.

Verena Ena Friess ist Peer-Beraterin an der FH JOANNEUM.
Foto: Privat
Verena Ena Friess ist Peer-Beraterin an der FH JOANNEUM.

Verena Ena Friess – Peer-Beraterin mit Leib und Seele

Als Peer-Beraterin unterstützt Verena Ena Friess seit zwei Jahren beeinträchtigte Studierende an der FH JOANNEUM. Dabei arbeitet sie perfekt auf die Studierenden abgestimmte Modifizierungen bei herausfordernden Situationen heraus und stellt diese bereit. Diese Situationen können beim Aufnahmeverfahren oder auch im Studium selbst auftreten. Seit 15 Jahren lebt sie mit einer chronischen Erkrankung des Darmtraktes. Für sie ist es wichtig, eine Anlaufstelle für Menschen mit Beeinträchtigung zu sein.

Die Hochschule unterstützt Studierende, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihrer Ansicht nach sehr gut. Auch die Studiengangsleitungen sind immer sehr verständnisvoll, bemüht und kooperationsbereit, individuelle Lösungen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zu schaffen. Was jedoch laut Verena Ena Friess noch optimiert werden könnte, ist das Aufnahmeverfahren: „Es ist so, dass viele mehr Zeit aufgrund von unterschiedlichen Behinderungen brauchen. Ich würde mir wünschen, dass sie diese Zeit bekommen und sich gemeinsam mit uns für eine Assistenz oder Aufbereitung organisieren können.“, sagt die Peer-Beraterin.

Wichtig findet sie es auch, dass sich Menschen untereinander austauschen, um auf andere Krankheiten oder Beeinträchtigungen aufmerksam zu machen. Das fand sie auch in ihrer Ausbildung als Peer-Beraterin spannend: „Da fällt einem auf, dass die Organisationen an sich zwar gut sind, aber dass es notwendig wäre, dass die ganzen Bereiche miteinander vernetzt werden und alles mehr ineinanderfließt. So könnten ganzheitliche Lösungen erarbeitet werden.“ Besonders der Austausch von Menschen ohne und mit Beeinträchtigung ist für sie essenziell, um das Bewusstsein untereinander zu stärken. Dies wäre für beide Seiten eine Win-Win-Situation.

Ihr Motto: „Das zu tun, was man sich selbst zutraut, auch wenn Andere an einem zweifeln.“ Verena Ena Friess versucht stets Wege zu finden, um die persönlichen Ziele zu erreichen und sich von vermeintlichen Stolpersteinen nicht beirren lassen. Das möchte sie auch anderen Menschen mit Erkrankungen oder einer Beeinträchtigung mit auf den Weg geben.

Theresa Knaflitsch ist Rollstuhlfahrerin und studiert „Soziale Arbeit“ im Master.
Foto: Privat
Theresa Knaflitsch ist Rollstuhlfahrerin und studiert „Soziale Arbeit“ im Master.

Theresa Knaflitsch – Zielstrebige Studentin

Theresa Knaflitsch studiert seit Oktober 2020 das Masterstudium „Soziale Arbeit“. Sie ist Rollstuhlfahrerin, wobei sie dies nicht daran hindert, das zu studieren, was sie möchte. Schließlich hat sie schon den Bachelor in „Erziehung- und Bildungswissenschaften“ an der Karl-Franzens-Universität sowie den Lehrgang „Akademische Peer-Beraterin / Akademischer Peer-Berater“ an der FH JOANNEUM absolviert.

In ihrer Zeit als Lehrgangsstudentin – vor der Pandemie – verbrachte Theresa Knaflitsch wesentlich mehr Zeit am FH-Gelände. Abgesehen von gewissen Hörsälen, welche Stufen vorweisen, sei sie im Gebäude ohne Barrieren gut zurechtgekommen. „Ich habe nicht wirklich Probleme gehabt, bis auf die besagten Hörsäle.“ Da dort Stufen waren, saß sie in der ersten Reihe. „Aber auch in der ersten Reihe war es für mich als Rollstuhlfahrerin etwas eng“, erzählt die Studentin.

Lediglich bezüglich der Prüfungen habe sie sich an Verena Ena Friess gewendet, da sie aufgrund ihrer Beeinträchtigung etwas mehr Zeit bei Prüfungen benötigt. Unterstützung gibt es sonst auch seitens der Lehrenden sowie den Mitstudierenden: „Besonders die Lehrenden sind eigentlich durchwegs sehr zuvorkommend und fragen einfach nach, inwiefern ich Unterstützungsbedarf habe.“ Theresa Knaflitsch schätzt an der FH JOANNEUM, dass die Kommunikation stimmt und sie sich mit Anliegen an Vortragende oder auch die Studiengangsleitung wenden kann.

Eine anonyme Person, die an der FH JOANNEUM studiert

Das Thema der psychischen Gesundheit wird immer wichtiger in unserer Gesellschaft. Mehr und mehr Menschen leiden unter Stress, psychischen Beschwerden oder Erkrankungen.

Die studierende Person, welche anonym bleiben möchte, leidet an schweren Depressionen und Angststörungen. Für sie ist der FH-Alltag manchmal enorm schwer, jedoch gibt ihr gerade das System mit Anwesenheitspflicht und geregeltem Ablauf Struktur. Die Herausforderungen meistert die Person mitunter auch „mit Unterstützung der Stabstelle in Form von Gesprächen oder Mehrzeit bei Prüfungen, wenn ich durch meine Erkrankung unkonzentrierter oder unruhiger bin als sonst“.

Für die Person gibt es noch ein paar Verbesserungsvorschläge an der Hochschule: „Oft ist man am Anfang recht allein und denkt, man ist die oder der Einzige mit einer Beeinträchtigung. Im Studium habe ich aber viele Menschen kennengelernt, die auch mit Depressionen oder Ähnlichem leben. Mir persönlich hilft der Austausch, eine Gruppe zur Vernetzung wäre spannend.“

Faktencheck an den österreichischen Hochschulen aus dem Jahr 2019:

  • 58 % der teilnehmenden Studierenden an den österreichischen Hochschulen gaben an, dass sie mindestens eine stressbedingte Schwierigkeit haben.

  • 50 % der teilnehmenden Studierenden an den österreichischen Hochschulen nannten mindestens eine psychische Beschwerde.

  • 49 % der teilnehmenden Studierenden der FH JOANNEUM war die Psychologische Studierendenberatung nicht bekannt, 7 % nahmen sie in Anspruch.

Hinweis:

Psychische Beschwerden beinhalten bei der Studierenden-Sozialerhebung aus dem Jahr 2019 mangelndes Selbstwertgefühl, depressive Stimmungen, Kontaktschwierigkeiten / soziale Isolation, Existenzängste, Versagensängste / Prüfungsangst. Stressbedingte Schwierigkeiten sind hierbei Schwierigkeiten bei der Selbstorganisation des Studiums, Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten, stressbedingte gesundheitliche Beschwerden (zum Beispiel Magenschmerzen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen) sowie eine fehlende Studienmotivation.

Hier können Sie alle Zahlen der Studie nachlesen.

Egal, ob chronische Erkrankung, körperliche Beeinträchtigung oder psychische Erkrankung – diese Dinge muss einen Menschen nicht daran hindern, seine Ziele und Leidenschaften zu verfolgen. Schließlich sollen alle Menschen die gleichen Chancen bekommen, ob im Studium oder in der Arbeit. Dass Diversität an der FH JOANNEUM ein wichtiges und präsentes Thema ist, zeigen auch die verschiedensten Unterstützungsmöglichkeiten, die für beeinträchtigte Studierende angeboten werden.

Hinweis:

Welche Unterstützungen die FH JOANNEUM für Studierende mit Beeinträchtigung bietet, können Sie hier nachlesen.

Tipp:

Hier können Sie unseren ersten Beitrag der Blogreihe „Diversität an der FH JOANNEUM: Vielfalt, die gelebt wird“ nachlesen.