Science Story: Optimierung von Workflows 1
Johannes Dirnberger-Wild unterrichtet am Institut "Industrial Management" in Kapfenberg.

Science Story: Optimierung von Workflows

Anna-Magdalena Drusko,

Johannes Dirnberger-Wild ist Hochschullektor am Institut Industrial Management und seit 2016 an der FH JOANNEUM mit Schwerpunkt in den Bereichen Prozessmanagement, Supply Chain Management und Logistik tätig. Sein Masterstudium in Wirtschaftsingenieurwesen absolvierte Dirnberger-Wild an der FH JOANNEUM und im Rahmen eines Double Degrees an der Universität in Udine, wo er derzeit auch an seinem Doktorat zum Thema Digitalisierung von Beschaffungsprozessen arbeitet. In dieser Science Story wirft er einen Blick auf die Optimierung von Workflows.

Ich bin neulich auf ein Online-Posting des deutschen Satirikers El Hotzo gestoßen und mich amüsierte vor allem die Aussage „da waren die Workflows nicht optimiert“.

Foto: Quelle: Instagram

Einerseits, weil El Hotzo sie als Beispiel für eine Standardausrede anführt – und als solche mag sie durchaus überzeugen. Andererseits stimmt es und häufig sind wirklich „die Workflows“ Schuld, wenn man im Job lange auf etwas wartet.
Nehmen wir als Beispiel die Bearbeitung eines Dienstreiseantrags. Dauert es vier Wochen, um zu wissen, ob die geplante Auslandsreise zu dem:der Lieferant:in genehmigt wird oder online stattfinden muss, handelt es sich schlichtweg um einen „nicht optimierten“ Workflow. Daher ist der Wahrheitsgehalt der zitierten Aussage, auch wenn sich Satire durch Übertreibung und Ironie auszeichnet, aus Prozessmanagement-Sicht größer, als man zunächst annehmen möchte.

Vom Praktikum zum Spezialgebiet Prozessmanagement

Meine Leidenschaft, mich mit dem Thema Prozessmanagement zu beschäftigen, habe ich während meiner Studienzeit an der FH JOANNEUM entdeckt. Dabei geht es genau darum schlecht designte und/oder fehlerhaft laufende Prozesse bzw. Workflows nicht hinzunehmen, sondern zu verbessern. (Erklärungen in Hinweisbox unten) In meinem Praxissemester kam ich über den Kontakt eines Dozenten nach München zu einem internationalen Konzern. Von dort aus bin ich dann nach London, Düsseldorf und Neapel gereist, um zunächst Informationen zu den Prozessen der Dienstleister:innen und Lieferant:innen durch Interviews zu erheben und in Form von Prozessmodellen grafisch darzustellen. Diese Modelle habe ich anschließend auf Schwachstellen hin untersucht und gemeinsam mit den involvierten Personen Verbesserungsmaßnahmen entwickelt.

Zwischen Produktivität und Tagträumen

Damals habe ich angefangen zu erkennen, worauf auch die Forschung immer wieder hinweist: schlecht abgestimmte, lange Prozesse sind nicht nur teuer und machen Kund:innen unzufrieden, sondern auch die Mitarbeiter:innen. Wenn Studien aufzeigen, dass Vollzeitangestellte nur einen Teil der Zeit wirklich konzentriert arbeiten und „produktiv“ sind, weil sie etwa bis zu zwei Stunden pro Tag nach arbeitsrelevanten Informationen suchen, dann ist die Ursache weniger in deren Arbeitshaltung, sondern vielmehr in den organisatorischen und technischen Rahmenbedingungen zu suchen. Und wenn über 90 % von uns bei Meetings in Tagträume verfallen, verwundert dies nicht: wer hat noch nie Zeit in einer unnötigen Besprechung verbracht, während eine wichtige Aufgabe liegen bleiben musste?

Von verbesserten Rahmenbedingungen zu höherer Zufriedenheit und Produktivität

Wenn ich mich also heute, über zehn Jahre später, an der FH JOANNEUM in Lehre, Projekten und der Forschung mit Prozessmanagement beschäftige, ist es nach wie vor mein Hauptantrieb einen Beitrag zu verbesserten Rahmenbedingungen zu leisten.
Denn ich bin überzeugt, dass es uns insgesamt glücklicher und produktiver macht, wenn wir unsere kostbare Zeit sinnvoll investieren. Dazu bedarf es sowohl organisatorischer Maßnahmen wie beispielsweise die Vorgabe nur noch notwendige Meetings anzusetzen und diese effizient zu gestalten (gute Vorbereitung, Moderation und Zeitdisziplin), als auch technischer Lösungen, wie etwa die Automatisierung einer mühsamen Tätigkeit, bei der Daten manuell aus einem System ins Nächste übertragen werden. Plötzlich könnten Mitarbeiter:innen den Großteil der Zeit im Job mit Tätigkeiten verbringen, die einen Kund:innennutzen haben. Zum Beispiel weniger administrative Arbeit erledigen müssen und dafür Kund:innen vor Ort intensiver beraten können oder mehr Zeit für kreative Aufgaben, wie die Entwicklung neuer Produkte oder Geschäftsmodelle zur Verfügung zu haben. Als jemand, der auch in einer Band musiziert und mit Kreativprozessen vertraut ist, in denen man stundenlang an einem Song feilt, ohne dabei einmal auf die Uhr zu schauen, kann ich die Möglichkeiten und Qualitäten, welche uns „optimierte Workflows“ aus dieser Perspektive gesehen im Job bieten können, gar nicht hoch genug einschätzen. Und auch zur Lösung des sich zuspitzenden Fachkräftemangels, eine der größten wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit wie es der Ökonom Marcel Fratzscher in der aktuellen „Das Politikteil“ Podcast-Ausgabe vom 02. Februar darlegt, können Produktivitätssteigerungen einen wesentlichen Beitrag leisten.

4 Wochen? Dann war es wohl nicht so wichtig…

Daher ist mein Fazit, dass die vier Wochen lang unbeantwortete E-Mail, auf die El Hotzo eingangs anspielt, offensichtlich unwichtig war, weil sonst jemand nachgefragt hätte. Und so gesehen ist dieses Beispiel für mich hier nicht als „faule Ausrede“, sondern als Weckruf zu verstehen, die kostbare persönliche Arbeitszeit sinnvolleren Dingen zu widmen als einer unnötigen E-Mail.

Sources: Productivity Statistics: Key Elements in 2023 | TeamStage

Hinweis:

Prozesse
basieren auf wiederkehrenden Abläufen, mit denen Unternehmen erwünschte Ergebnisse erzielen. Z. B. ein Smartphone herstellen, das immer die gleichen Eigenschaften besitzt.

Workflows
sind detailliertere Prozesse, die häufig IT-basiert ablaufen. Z. B. ein Dienstreiseantrag, welcher in einem System gestellt und dann automatisch zur Bearbeitung weitergeleitet wird, ganz ohne zusätzliche Mails oder Telefonate.

Prozessmanagement
umfasst die systematische und kontinuierliche Gestaltung, Überwachung, Steuerung und Weiterentwicklung aller Prozesse.