Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1
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Wöchentlicher Börsenbrief #52

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Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Globale Unternehmensergebnisse und IWF-Prognosen: Ein April voller Überraschungen

Im April ist es wieder soweit: Viele Unternehmen legen ihre Quartalsergebnisse vor. Für mich gehört es zur morgendlichen Routine, diese bei einem Espresso zu analysieren. Global gesehen haben bisher 15% der Unternehmen ihre Gewinne offengelegt. Erfreulicherweise konnten 56% der CEOs die Erwartungen übertreffen, was für Aktionär:innen durchaus positiv ist. Demgegenüber blieben 38% der Unternehmen hinter den Erwartungen zurück. Besonders widerstandsfähig zeigten sich nicht-zyklische Konsumgüter – Unternehmen wie Pepsi, Philip Morris oder Procter & Gamble, von denen 73% die Erwartungen übertrafen. Im Energiesektor blieben jedoch 49% hinter den Erwartungen zurück.

Regional betrachtet, konnten nordamerikanische Unternehmen beeindruckende Ergebnisse erzielen: 68% übertrafen die Erwartungen, während nur 25% diese nicht erfüllen konnten. Im Vergleich dazu sieht die Eurozone mit einem Verhältnis von 42% positiven Überraschungen zu 52% Enttäuschungen deutlich schwächer aus. Spiegelt dies die Wirtschaftsdynamik der jeweiligen Regionen wider?

An der Börse wird zwischen defensiven und zyklischen Sektoren unterschieden. Defensive Sektoren, wie das Gesundheitswesen, Versorgungsbetriebe und Grundnahrungsmittel, gelten als weniger anfällig für Wirtschaftszyklen. Unternehmen in diesen Sektoren produzieren oder bieten Dienstleistungen an, die auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gefragt sind. Daher neigen Aktien aus defensiven Sektoren dazu, in Abschwungphasen oder bei unsicheren Marktbedingungen besser zu performen. Zyklische Sektoren, wie der Automobilsektor, Luxusgüter und die Bauindustrie, sind stark von der Wirtschaftslage abhängig. In Phasen wirtschaftlichen Aufschwungs tendieren diese Sektoren zu einer überdurchschnittlichen Performance, während sie in Rezessionen oft stärker leiden.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) veröffentlicht traditionell im April die neuen Wirtschaftsprognosen. Für 2024 wird ein globales Wachstum von 3,2% erwartet, was genau dem Wachstum von 2023 entspricht. Schwellenländer sollen mit 4,2% deutlich stärker wachsen als entwickelte Volkswirtschaften mit 1,7%. Besonders interessant sind die Anpassungen der Prognosen: Für die USA wurde das erwartete Wachstum um 0,6% auf 2,7% deutlich nach oben korrigiert – die Befürchtungen einer Rezession scheinen vom Tisch zu sein. Auch für Indien wurde die BIP-Prognose um 0,3% auf 6,8% angehoben, was deutlich über dem Wachstum Chinas liegt. Der IWF sieht für China ein Wachstum von 4,6%, was zwar über den Raten Europas oder der USA liegt, aber im historischen Vergleich niedrig ist.

Auffällig ist die Divergenz zwischen den G7-Staaten und den aufstrebenden BRICS-Ländern. Während in den USA noch relativ robustes Wachstum herrscht, schwankt das BIP-Wachstum zwischen 1,2% in Kanada und 0,2% in Deutschland. In den BRICS-Ländern reicht die Spanne von 6,8% in Indien bis 0,9% in Südafrika. Abgesehen von Südafrika und Brasilien (2,2%) sowie Saudi-Arabien (2,6%) weisen alle anderen BRICS-Länder ein höheres Wachstum auf als das beste G7-Land.

An den Aktienmärkten geht es analog dem Wetter im April einmal rauf und einmal runter. Spannenderweise ist das Wirtschaftswachstum in den USA, nur wenige Tage nach der Publikation der IWF-Zahlen, auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren gefallen. Gepaart mit einer anziehenden Inflation richten sich die Augen nun auf die amerikanische Notenbank. Wird der Fed-Präsident die Zinssätze noch länger auf dem 20-Jahres-Hoch belassen oder doch an der Zinsschraube drehen und den Markt mit einer Zinssenkung überraschen? In Europa verdichten sich immer mehr die Zeichen, dass EZB-Präsidentin Christine Lagarde heuer noch zumindest drei Mal die Leitzinsen senken wird. Ich bin schon sehr gespannt darauf, wohin die liebe Christine und der liebe Jerome das Notenbank-Schiff steuern werden.