Wie Card-Sorting die Markenidentität stärkt 1
Mit der Methode des Cards-Sortings soll die Markenidentität von Unternehmen gestärkt werden. (© FH JOANNEUM / Miriam Weiß)

Wie Card-Sorting die Markenidentität stärkt

Niklas Sieger,

An der FH JOANNEUM fand am 13. Mai 2019 ein von Content-Strategie-Beraterin Margot Bloomstein geleiteter Workshop zum Thema Card-Sorting für Markenwerte statt – mit praktischen Erkenntnissen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Auf den ersten Blick erinnert Card-Sorting an ein Spiel aus dem frühen Deutschunterricht. Man sortiert Adjektive, die verstreut auf einem Tisch liegen, und ordnet sie vorgegebenen Rubriken zu. In Wirklichkeit sollen mit dieser Methode aber die großen Fragen der Unternehmenskommunikation beantwortet werden: Wie kommuniziert man richtig? Für welche Werte und Botschaften steht das Unternehmen? Wie schafft man es, diese in einer durchdachten Content-Strategie erfolgreich an die Zielgruppen zu transportieren und damit seine Markenidentität zu stärken?

Ursprünglich stammt der Begriff Card-Sorting aus dem Webdesign und beschreibt die Entwicklung einer übersichtlichen Website-Struktur zur Verbesserung der Usability. Margot Bloomstein legte das Card-Sorting auf die zentralen Markenwerte eines Unternehmens um und entwickelte hierfür eine Kartensammlung aus 150 Adjektiven. Diese dienen der Konzipierung einer sogenannten Message Architecture (Botschaftsarchitektur). Mit ihr wird definiert, wie das Unternehmen seine Werte und Botschaften erfolgreich an die Zielgruppen kommuniziert: in welcher Tonalität, über welche Kanäle, in welchem Ausmaß und so weiter.

Die Methode des Card-Sortings wurde von Margot Bloomstein im Rahmen des Workshops des Masterstudiengangs „Content-Strategie / Content Strategy“ in Kooperation mit dem Bildungsnetzwerk Steiermark am 13. Mai 2019 an der FH JOANNEUM vorgestellt und gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus steirischen Erwachsenenbildungseinrichtungen anhand realer Beispiele aus ihrer eigenen beruflichen Praxis erprobt. Konkret wurden Gruppen zu je sechs oder sieben Personen gebildet, welche sich um einen großen Tisch platzierten und die 150 Adjektive aufdeckten. Jeweils eine Person übernahm die Rolle der Moderatorin beziehungsweise des Moderators und wandte die Methode für ihre beziehungsweise seine Einrichtung aus der Erwachsenenbildung an, die anderen Personen fungierten als Beraterinnen und Berater.

Heinz Wittenbrink, Dozent am Masterstudiengang „Content-Strategie / Content Strategy“, Robert Gutounig, Leiter des gleichnamigen Masterstudiengangs, Margot Bloomstein, Content-Strategie-Beraterin, sowie Kerstin Slamanig, Geschäftsführerin des Bildungsnetzwerks Steiermark.
v.l.n.r.: Heinz Wittenbrink, Dozent am Masterstudiengang „Content-Strategie / Content Strategy“, Robert Gutounig, Leiter des gleichnamigen Masterstudiengangs, Margot Bloomstein, Content-Strategie-Beraterin, sowie Kerstin Slamanig, Geschäftsführerin des Bildungsnetzwerks Steiermark. (© FH JOANNEUM / Miriam Weiß)

So funktioniert die Card-Sorting-Methode

Phase 1: Kategorisieren

In einem ersten Schritt müssen die Adjektive drei Kategorien zugeordnet werden.

  1. Wer sind wir? (Wie wird nach eigener Meinung die Marke aktuell wahrgenommen?)
  2. Wer wollen wir sein? (Wie soll die Marke in Zukunft wahrgenommen werden?)
  3. Wer sind wir nicht? (Mit welchen Begriffe soll die Marke nicht assoziiert werden?)

Nach zehn Minuten wird die Kategorie „Wer sind wir nicht?“ vom Tisch genommen.

Phase 2: Filtern

In der zweiten, ebenfalls rund zehnminütigen Phase werden jene Adjektive von der Kategorie „Wer sind wir?“, welche auch in Zukunft für das Unternehmen stehen sollen, in die Kategorie „Wer wollen wir sein“ verschoben. Die anderen Karten wandern zurück in die Box.

Phase 3: Priorisieren

Nach einer kurzen Diskussion beginnt die dritte Phase, welche sich ausschließlich um die verbleibenden Karten der Kategorie „Wer wollen wir sein?“ dreht. Noch einmal können unpassende Begriffe aussortiert werden. Anschließend werden die Adjektive in Gruppen zusammengefasst und nach Priorität gereiht. Aus jeder Adjektivgruppe werden ein bis maximal drei Begriffe gewählt, aus denen danach die Message Architecture hervorgeht. Diese wird allerdings nicht nach außen kommuniziert, sondern dient der internen Kommunikation – welche laut Margot Bloomstein jedoch genauso wichtig ist wie die externe. Die Markenberaterin abschließend an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer: „Understand what you need to communicate – and why.“

Persönlicher Eindruck

Als Mitarbeiter der „PR & Marketing“-Abteilung der FH JOANNEUM ging ich mit gespanntem Interesse in den Workshop. Immerhin beschäftige ich mich im Rahmen meines Berufs täglich mit professioneller Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit – wie die meisten der anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch. Mit einigen von ihnen kam ich im Rahmen der praktischen Card-Sorting-Übung in vertiefende Gespräche. Interessant in meiner Gruppe war, dass uns das Zuordnen und Aussortieren bestimmter Begriffe in der ersten Phase relativ leicht fiel, die Besinnung auf einige wenige im letzten Schritt jedoch vergleichsweise schwer. Margot Bloomstein bezeichnet das als den „Markenkern“ eines Unternehmens und den gilt es zu definieren, um klar kommunizieren zu können, also die Botschaften, das Design, die Typographie und so weiter darauf aufzubauen.

Nicht immer eindeutig fiel die Übersetzung der englischen Begriffe ins Deutsche aus, da es hier je nach Interpretation mehrere Bedeutungen geben kann. Ein Beispiel ist „value-oriented“: Versteht man hierunter „wertorientiert“ im wirtschaftlichen Sinne von (Kenn-)Zahlen oder im Kontext der ethischen und moralischen Werte, für die das Unternehmen steht? Und bedeutet „trendy“ hip, jung und modern oder lediglich am Puls der Zeit (egal für welche Generation)? Hier entstanden durchaus lebhafte Diskussionen, zu denen Margot Bloomstein anmerkte, dass man für sich selbst definieren muss, wie man die Begriffe übersetzt und interpretiert – das sei abhängig vom jeweiligen Kontext.

Ich persönlich sehe die Card-Sorting-Methode für Unternehmen auch als eine gute Möglichkeit, sich selbst und die eigene interne Kommunikation kritisch zu reflektieren, was durch die Kategorien „Wer sind wir?“ und „Wer wollen wir sein?“ gut möglich ist. Hat man das Gefühl, an den Stakeholdern vorbei zu kommunizieren, kann man diesem hiermit auf den Grund gehen. Ebenso lässt sich damit hinterfragen, ob man am richtigen Weg ist oder möglicherweise einen anderen einschlagen soll.

„If you don’t know what to communicate, how will you know if you succeed?“

Margot Bloomstein, Marken- und Content-Strategie-Beraterin

Zur Person

Margot Bloomstein ist eine international bekannte Marken- und Content-Strategie-Beraterin. Sie arbeitet mit Unternehmen aus verschiedenen Branchen zusammen, um deren Inhalte auf die jeweilige Marke abzustimmen. Margot Bloomstein lehrt ihre Card-Sorting-Methode außerdem an verschiedenen Hochschulen, darunter auch an der FH JOANNEUM, am Masterstudiengang „Content-Strategie / Content Strategy“, wo sie eine der zentralen Lehrenden ist. Im Zentrum ihrer Workshops steht die Botschaftsarchitektur, die dazu dient, Markenwerte in konkrete Inhalte zu übersetzen. Margot Bloomstein hat hierzu das Buch „Content Strategy at Work" verfasst. Außerdem engagiert sie sich in politischen und ethischen Belangen. Weitere Informationen sind auf ihrer Website zu finden.

Nachfolgend noch einige Eindrücke vom Workshop. Alle Fotos © FH JOANNEUM / Miriam Weiß.