Wöchentlicher Börsenbrief von Josef Obergantschnig 1
(c) FH JOANNEUM / Marion Luttenberger

Wöchentlicher Börsenbrief #49

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Im wöchentlichen Börsenbrief von Josef Obergantschnig, Fachhochschullektor an der FH JOANNEUM und Gründer von ecobono, gibt es das Börsengeschehen pünktlich zum Start in das Wochenende aus erfrischend neuen Blickwinkeln.

Die Truthahn-Illusion, der Bullen-Ritt und ein Börsenzoo voller Überraschungen

„Jeder gute Tag beginnt …“ Treue Leser:innen wissen, dass für mich hier nur mein geliebter morgendlicher Espresso folgen kann. Daran kann auch die Kaffeepreisentwicklung der letzten Monate nichts ändern. An der Börse wird Kaffee jetzt um rund ein Drittel teurer gehandelt als noch vor einem Jahr. Das ist viel! Als Börsianer habe ich gelernt, dass es immer auf den relativen Vergleich ankommt. Im Vergleich zur Inflation im Euroraum, die laut der aktuellen Eurostat-Schätzung für März bei 2,4% liegt, ist das definitiv hoch. In Österreich liegt sie mit 4,3% fast doppelt so hoch wie im Euro-Raum. Im Vergleich zur Kaffeepreisentwicklung ist das aber nicht der Rede wert. Meine Kinder lieben Kakao. Hier haben sich die Preise seit Ende Januar an der Börse verdoppelt und auf Einjahressicht nahezu vervierfacht. Bei unserem Kaffee- und Kakaokonsum wird unser Haushaltsbudget in der nächsten Zeit wohl massiv belastet werden.

Das 1. Quartal 2024 ist bereits Geschichte. Die Wertentwicklung kann sich nach dem schwachen Jahresstart aber durchaus sehen lassen: Aktienmärkte sind weit im Plus. Der amerikanische S&P 500 und der japanische Topix konnten zweistellige Performancezahlen aufweisen. Der europäische Markt hinkt zwar etwas hinterher, aber mit einer Performance von 8% können die Investor:innen dennoch entspannt sein. Weniger gut lief es mit einem Investment in Schwellenländer-Aktien, aber auch hier hält sich der Schaden mit knapp 5% in Grenzen. Auf der Anleihenseite zeigt sich ein gemischtes Bild: Während Schwellenländer-Anleihen und der Unternehmensanleihen-Bereich eine gute Performance ausweisen, mussten europäische Staatsanleihen Verluste hinnehmen. Nach dem Osterwochenende wurde das zweite Quartal auch eher schwach eröffnet. Ich bin schon gespannt, ob dies analog zum Jahresstart ein gutes Omen ist.

Beim weiteren Screening durch den Newsflow bleibe ich an einem Beitrag meines Freundes Erwin Hof von der Wiener Börse hängen. Beim Lesen dieser Zeilen muss ich unweigerlich lächeln. Der liebe Erwin ist dabei auf die Eigenheiten der Börsianer:innen eingegangen und hat einen Ausflug in den Zoo der hartgesottenen Börsianer gewagt. Beginnen wir mit dem Bullen, der für steigende Kurse steht und diese mit seinen Hörnern nach oben stößt – ein Traum für jeden Anleger/jede Anlegerin. Es gibt da aber auch noch den Bären. Er ist der Freund all jener, die auf fallende Kurse setzen oder auf günstige Einstiegskurse hoffen, denn er drückt die Kurse mit seinen Tatzen nach unten.

An der Börse tummeln sich auch viele schwarze Schwäne. Dabei handelt es sich um seltene und für Börsianer:innen äußerst unangenehme Tiere. Bis ins 17. Jahrhundert waren „alle“ Schwäne nur weiß. Dann entdeckte ein gewisser William de Vlamingh schwarze Schwäne in Australien. Nassim Taleb prägte diesen Begriff für die Finanzmärkte im Jahr 2007, kurz bevor die große Finanzkrise hereinbrach. Schwarze Schwäne stehen an der Börse für unerwartete Ereignisse, die alle bisherigen Annahmen über den Haufen werfen. Jetzt wird es Zeit, bei den Truthähnen vorbeizuschauen. Oder handelt es sich dabei um eine Illusion? Der Truthahn, der täglich gefüttert wird und sich in Sicherheit wiegt, bis zum Tag seiner Schlachtung. Dies mahnt uns, Trends nicht blindlings in die Zukunft zu projizieren und als Anleger wachsam zu bleiben. Eines Tages kann der Metzger oder ein Bär um die Ecke schauen. Nach dem Truthahn kommen wir zu den Schildkröten. Diese Tiere wirken für mich immer entspannt und beruhigend. Richard Dennis hat in den 1980ern felsenfest behauptet, dass es nur eine erfolgreiche Handelsstrategie brauche, und er selbst ungelernte Trader:innen wie Schildkröten züchten könne. Sein Experiment war erfolgreich. Der Erfolg währte aber nur kurz. Bei den Optionshändler:innen sorgen „Schmetterlinge“, oder Butterfly-Spreads, für leuchtende Augen. Sie setzen darauf, dass sich der Kurs am Verfallstag innerhalb einer definierten Bandbreite bewegt. Das Gewinn-Verlust-Diagramm dieser Strategie ähnelt den Konturen eines Schmetterlings. Und nun kommen wir zu einem beliebten Haustier, der Katze. Der sogenannte „dead cat bounce“ beschreibt eine kurzzeitige Erholung der Kurse nach einem starken Einbruch. Also quasi eine Katze, die von hoch oben auf den Boden fällt und aufgrund des ungeheuren Aufpralls kurz nach oben abhebt, um letztlich doch wieder auf den Boden zu fallen. Und schließlich kommen wir noch zum Freund des Menschen, dem Hund. Die „Dogs of Dow“-Anlagestrategie geht auf Michael B. O’Higgins zurück. Hierbei werden in die 10 Aktien des Dow Jones mit der höchsten Dividendenrendite investiert. Und das Jahr für Jahr. Da diese Unternehmen nicht die beliebtesten waren, wurden sie als Dogs bezeichnet. Ich bin schon gespannt, welche Tiere uns im Laufe des Jahres an den Börsen noch begegnen werden. Vielleicht sollte ich den lieben Erwin einfach einmal bitten, mich bei seinem nächsten Ausflug in den Börsenzoo einfach mitzunehmen.