Digi@Homework: Arbeiten während der COVID-19-Pandemie

 
Digi@Homework: verteiltes Arbeiten während der COVID-19-Pandemie

Wie haben Steirerinnen und Steirer das Arbeiten im Homeoffice erlebt? Dieser Frage ist die FH JOANNEUM gemeinsam mit der Universität Graz und der IGSF − Interdisziplinäre Gesellschaft für Sozialtechnologie und Forschung im Auftrag der Arbeiterkammer Steiermark nachgegangen. Dafür wurden unter anderem rund 1.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befragt. Nun liegen die Ergebnisse vor.

Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat zu einem Umbruch der Arbeitswelt, wie wir sie bis dahin kannten, geführt. Von heute auf morgen schickten Unternehmen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in das Homeoffice. Das sogenannte verteilte Arbeiten an unterschiedlichen Standorten, wo Kolleginnen und Kollegen über Technologie verbunden sind, wurde für viele Wochen und Monate zum neuen Arbeitsalltag. Die Projektpartner von Digi@Homework untersuchten zwischen Oktober 2020 und März 2021, welche Herausforderungen und Potenziale sich durch verteiltes Arbeiten für steirische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ergeben haben. Im Projektverlauf wurden auch Diskriminierungspotenziale hinterfragt, beispielsweise bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Betreuungsverpflichtungen, insbesondere Frauen, oder bei älteren Personen. Welche Branchen besonders stark oder schwach von den Herausforderungen betroffen waren, wurde ebenfalls ermittelt.

Zwei Drittel schätzen das Homeoffice

Die Online-Umfrage hat gezeigt, dass rund zwei Drittel der Befragten zufrieden mit der Arbeit im Homeoffice sind – sie würden auch gerne nach der Pandemie etwas mehr von daheim aus tätig sein. Weniger gearbeitet hat der Durchschnitt nicht: Pausen fielen kürzer aus und es wurde eine Stunde pro Tag länger gearbeitet. Einen Einfluss auf die Zufriedenheit der Arbeit im Homeoffice hat die Anzahl und das Alter von Kindern. Besonders Elternteile mit Kindern zwischen zwei und zehn Jahren sind häufiger unzufrieden. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass etwas mehr Männer als Frauen im Homeoffice zufrieden sind. Und: Je älter die befragten Personen waren, desto entspannter und unaufgeregter erlebten sie die Situation im Homeoffice.

Bedarf an Schulungen, die arbeiten im Homeoffice erleichtern

Abgefragt wurde auch das Thema Schulungsbedarf für Videokonferenzen, psychologische Angebote sowie Zeit- und Projektmanagement. Hier hat sich gezeigt, dass sich am häufigsten Personen über 60 Jahre Schulungen für Videokonferenzen wünschen. Jüngere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fordern eine solche Unterstützung kaum ein. Psychologische Schulungen würden am häufigsten 30- bis 40-Jährige in Anspruch nehmen, am seltensten Personen über 60 Jahre. Je jünger die Befragten sind, desto größer ist der Wunsch nach Zeitmanagement- und Projektmanagement-Schulungen.

Handlungsempfehlungen

Basierend auf den Ergebnissen erarbeiteten die Projektpartner Handlungsempfehlungen für rechtliche Rahmenbedingungen, die Organisation des verteilten Arbeitens sowie das Thema Work-Life-Balance. So wird empfohlen, dass die am 1. April 2021 in Kraft getretenen neuen, gesetzlichen Regelungen fürs Arbeiten im Homeoffice in zukünftigen Befragungen evaluiert werden. Beim Thema Organisation der Arbeit soll notwendiges technisches Equipment für die Arbeit von zuhause auch künftig zur Verfügung gestellt werden, um verteiltes Arbeiten nachhaltig zu implementieren. Die Online-Umfrage zeigte, dass vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kein geeigneter Arbeitsplatz daheim zur Verfügung steht. Dazu wäre ein intensiver Diskurs zwischen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und wünschenswert, um auf die jeweiligen Bedürfnisse reagieren zu können. In der Online-Umfrage wurde ersichtlich, dass im Homeoffice weniger auf Pausen geachtet wird und sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeitsmedizinische Schulungsangebote wünschen. Ein Thema, das Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber aufgreifen könnten. Aber auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten bewusst auf eine Abgrenzung zwischen Beruflichem und Privatem achten.

Über das Projekt Digi@Homework

Im Zentrum von Digi@Homework stand eine repräsentative Online-Umfrage mit 1.128 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die 2020/2021 für mindestens eine Woche im Homeoffice arbeiteten. Zusätzlich wurden qualitative Erhebungen mit Gleichstellungsbeauftragen, Betriebsrätinnen, Betriebsräten sowie Personalverantwortlichen aus den Branchen Hochschulen, Automobilindustrie, IT-Branche und aus dem Energiesektor geführt.

Das Projekt Digi@Homework wurde von der FH JOANNEUM geleitet und von der Arbeiterkammer Steiermark gefördert. Die Projektpartner sind das Web Literacy Lab des Instituts Journalismus und Public Relations der FH JOANNEUM, die Stabstelle für Gleichbehandlung und Vielfalt der FH JOANNEUM, die IGSF − Interdisziplinäre Gesellschaft für Sozialtechnologie und Forschung sowie das Institut für Systemwissenschaften, Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung der Universität Graz.

„Es sollten künftig umfangreiche Maßnahmen entwickelt werden, um einer Re-Traditionalisierung von Geschlechterrollen im Homeoffice entgegenwirken zu können.”

Susanne Sackl-Sharif, nebenberuflich Lehrende für qualitative Sozialforschung an der FH JOANNEUM

Die Ergebnisse im Detail

Zufriedenheit

Durch die Online-Umfrage wurde ersichtlich, dass rund zwei Drittel der Befragten zufrieden mit der Arbeit im Homeoffice sind. Nur 4,6 Prozent sind damit unzufrieden. Die befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden unabhängig von der Pandemie gerne etwas mehr im Homeoffice als in einem Unternehmen vor Ort arbeiten – und dies, obwohl im Homeoffice mehr als im Betrieb vor Ort gearbeitet wurde und auch weniger Pausen gemacht wurden. Im Durchschnitt wurde eine Stunde pro Tag länger gearbeitet. Jene, die angaben, weniger zu arbeiten, befanden sich meist in Kurzarbeit, in einer Ausbildung oder waren geringfügig angestellt.

Einen Einfluss auf die Zufriedenheit der Arbeit im Homeoffice hat die Anzahl und das Alter von Kindern. Besonders Elternteile mit Kindern zwischen zwei und zehn Jahren sind häufiger unzufrieden (82,6 Prozent). Dies korreliert auch damit, ob die Kinder von zu Hause aus betreut werden. Knapp ein Drittel, haben zum Zeitpunkt der Befragung, ihre Kinder selbst zu Hause betreut.

Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass Männer etwas zufriedener im Homeoffice sind als Frauen. So gaben 71,1 Prozent der Männer an, im Homeoffice zufrieden zu sein und 62,2 Prozent der befragten Frauen.
Bezogen auf das Alter lässt sich feststellen, dass je älter die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren, desto entspannter und unaufgeregter erlebten diese die Situation im Homeoffice.

Schulungsbedarf

Schulungswunsch für Telekonferenzen
Am häufigsten wünschen sich Personen im Alter von über 60 Jahren Schulungen für Telekonferenzen (36,8 Prozent Dieser Wunsch nimmt tendenziell ab, je jünger die Befragten sind. Von den 18- bis 29-Jährigen haben nur mehr 14,7 Prozent den Wunsch nach solchen Schulungen. Sie scheinen in diesem Bereich technisch versierter zu sein. In Bezug auf das Geschlecht zeigt sich, dass sich Männer häufiger Schulungen für Telekonferenzen wünschen (26,3 Prozent) als Frauen (20,9 Prozent).

Schulungswunsch für psychologische Angebote
Am häufigsten wünschen sich 30- bis 39-Jährige Schulungen zu psychologischen Schulungen (34,9 Prozent). Am seltensten gilt dies über Personen über 60 Jahre (21,1 Prozent Generell ist der Wunsch nach Schulungen für psychologische Angebote aber vergleichsweise hoch.

Schulungswunsch für Zeitmanagement
Je jünger die Befragten sind, desto größer ist der Wunsch nach Schulungen auf diesem Gebiet. So wünschen sich dies 30,7 % der Befragten zwischen 18 und 29 Jahren, aber nur 10,5 % der über 60-Jährigen.

Schulungswunsch für Projektmanagement
Auch beim Thema Projektmanagement wünschen sich die jüngsten Befragten am häufigsten Schulungen (28,8 Prozent). Am seltensten wird dies hier aber von den 40- bis 49-Jährigen angegeben (14 Prozent). Grundsätzlich wünschen sich mehr Männer (26,3 Prozent) als Frauen (20,9 Prozent) eine Schulung zu dieser Thematik.

„Gelungen umgesetzt bietet verteiltes Arbeiten Potenziale, die man auch nach der Pandemie entsprechend nutzen könnte. Ein Beispiel hierfür wären verringerte Wegzeiten.”

Romana Rauter vom Institut für Systemwissenschaften, Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung der Universität Graz

Handlungsempfehlungen

Rechtliche Rahmenbedingungen

Fehlende rechtliche Rahmenbedingungen zum Zeitpunkt der Befragungen wurden durch ein entsprechendes Gesetz im März 2021 erlassen. Dieses sollte in zukünftigen Befragungen evaluiert werden. Weiters wurde in den Befragungen ersichtlich, dass Betriebsvereinbarungen in Bezug auf verteiltes Arbeiten modifiziert werden sollten, um jenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit zu gewähren, dieses Angebot über die Pandemie hinaus freiwillig zu nutzen. Die Vertreterinnen und Vertreter des Hochschulbereiches haben sich hier für eine flexible Einteilung des Arbeitstages ausgesprochen, während die Vertreterinnen und Vertreter aus dem Industriesektor fixe Kernarbeitszeiten bevorzugen würden.

Organisation des verteilten Arbeitens

Diese Dimension betrifft unter anderem kollaborative Arbeitsweisen, wie z.B. eine gemeinsame Zeitplanung durch Kalendereinträge, um den gemeinsamen Austausch unter Kolleginnen und Kollegen zu erleichtern. Daneben sollte notwendiges technische Equipment (unter anderem Laptops, Kameras ...) für die Arbeit von zuhause auch künftig zur Verfügung gestellt werden, um verteiltes Arbeiten nachhaltig zu implementieren.

Die Online-Umfrage zeigte außerdem, dass vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kein geeigneter Arbeitsplatz in der eigenen Wohnung zur Verfügung steht. Hierzu wäre ebenso ein intensiver Diskurs zwischen Arbeitgeberinnen, Arbeitgebern und Angestellten wünschenswert, um auf die jeweiligen Bedürfnisse, beispielsweise nach „mehr“ verteiltem Arbeiten oder der Nutzung von vorhandener Büroinfrastruktur im Eigenheim, entsprechend reagieren zu können.

Work-Life-Balance

In der Online-Umfrage wurde ersichtlich, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Homeoffice weniger auf Pausen achten und sich mehr arbeitsmedizinische Schulungsangebote wünschen. Diese sollten zum Beispiel zielgruppenspezifisch ausgerichtet werden. So haben sich ältere Arbeitnehmende ab 55+ vor allem gesundheitliche Angebote wie etwa Rückentraining gewünscht, während sich Jüngere (zwischen 30 und 39 Jahren) vor allem für den Ausbau an psychologische Schulungsangeboten ausgesprochen haben. Weiters sollten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – sofern dies im konkreten Fall möglich ist – auch bewusst auf eine Abgrenzung zwischen Beruflichem und Privatem achten. Die Arbeitgebenden könnten dies ebenfalls unterstützen, indem sie darauf etwa in Rundschreiben vermehrt hinweisen und Tipps zu diesem Thema vermitteln.

Tipp:

Weitere Informationen gibt es auf der Projektwebseite.