Science Story: Das heimische Gründungsökosystem

Science Story: Das heimische Gründungsökosystem

Mag. Dr. Christian Friedl,

Christian Friedl ist assoziierter Professor am Institut für Internationales Management und Entrepreneurship, Leiter des GEM Austria Teams und befasst sich täglich mit Innovation, Entrepreneurship und den neuesten Trends. In dieser Science Story wirft er einen Blick auf die österreichische Gründer:innenszene.

Wie viele Menschen gründen in Österreich ein Unternehmen? Was sind ihre Motive? Wie groß ist die Angst vor dem unternehmerischen Scheitern? Wie förderlich oder hemmend werden die Rahmenbedingungen wahrgenommen? Und wie schneidet der Gründungsstandort Österreich im internationalen Vergleich ab?
Diese und viele weitere Fragen behandeln wir am Institut für Internationales Management und Entrepreneurship im Rahmen des Global Entrepreneurship Monitors (GEM), der größten internationalen Vergleichsstudie zum Unternehmertum. Wir analysieren dabei die Dynamik der heimischen Unternehmenslandschaft, die Gründungsaktivität, die Einstellung der Bevölkerung zum Unternehmertum, spezielle Charakteristika von Entrepreneur:innen und die erforderlichen Rahmenbedingungen. Seit 2012 führen wir für Österreich regelmäßig diese Umfrage durch und können dabei auf Basis von mittlerweile 27.492 Personenbefragungen und 229 Expert:inneninterviews Entwicklungen, Ländervergleiche und Trends für die heimische Gründungslandschaft ableiten. GEM ist damit Frühwarnsystem, Benchmarkingtool und Trendbarometer zugleich.

Beispielsweise zeigen sich aktuell Erholungstendenzen bei der unternehmerischen Aktivität in Österreich:
🔎 Die Rate der Jungunternehmen erholt sich langsam vom Einbruch zu Beginn der 2020er Jahre, auch im europäischen Vergleich.
💡 Andere Schlüsselindikatoren wie die Rate der etablierten Unternehmen erreichen bereits wieder das Vor-Pandemie-Niveau, das ist Rang 5 in Europa.

Die wahrgenommene Gründungschancen, Motive und Image des Unternehmertums aus Sicht der österreichischen Bevölkerung geben ebenso interessante Aufschlüsse:
🙃 Wir können, müssen aber nicht…: Die österreichische Bevölkerung sieht wieder verstärkt Gründungsmöglichkeiten, übersetzt diese aber nur selten in konkrete Gründungsabsichten.
💪 Insgesamt wird in Österreich generell aufgrund von Möglichkeiten, nicht aus Notwendigkeit gegründet.
💚 Knapp 70% der Jungunternehmen verfolgen bei der Gründung nachhaltige Aspekte.

Bezug auf ♀️ Female Entrepreneurship ist der Anteil der Jungunternehmerinnen erfreulicherweise auf 44,8% angestiegen, es gibt aber noch immer viel zu tun:
🔎 geringerer Frauenanteile im Nicht-EPU-Bereich, bei den etablierten sowie den FTI-intensiven Unternehmen,
🤨 noch immer sind knapp 30% der Gründungsteams rein männlich,
🤔 Frauen in Österreich haben mehr Angst vor dem unternehmerischen Scheitern, eine deutlich niedrigere eigene Kompetenzeinschätzung und sehen weniger Gründungsmöglichkeiten.

Unser Gründungsökosystem erhält dabei ein „zweischneidiges Zeugnis“. In der Gesamtbewertung des unternehmerischen Ökosystems liegt Österreich sowohl im europäischen als auch im internationalen Vergleich erneut im Mittelfeld. Auch in Vergleich zu den vergangen Erhebungen gibt wenig Veränderungen – unsere Stärken (wie etwa das ausgezeichnete Förderangebot in der Gründungsphase) konnten beibehalten werden, aber ebenso die Schwächen (z.B. Entrepreneurship Education). Das kann positiv gesehen als Widerstandsfähigkeit des heimischen Ökosystems verstanden werden, insbesondere aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen. Kritischer betrachtet können die Ergebnisse auch als veränderungsresistent verstanden werden.

Weitere Ergebnisse und umfangreiche Analysen zur Dynamik des unternehmerischen Ökosystems in Österreich können im aktuellen GEM Austria 2022/23 Report nachgelesen werden. Derzeit bereiten wir gerade die Umfrage für den GEM Austria 2024/25 Report durch.